Klassenzimmer: Wahrsagerei (Parallelplay)

Shouky sah nach, ob sie in der Nähe der Wolke etwas Passendes finden konnte. "Jaa, das könnte hinkommen. Zumindest sieht es aus wie eine Linie." Sie nickte, während sie weiter den Kaffeesatz anstarrte. "Woher wusstest du das denn? Kannst du sogar ohne in den Kaffeesatz zu schauen hellsehen?" fragte Shouky grinsend. Sie sah sich im Klassenzimmer um, die anderen saßen auch alle noch über ihren Tassen und betrachteten den Kaffeesatz. Da hätten Shouky und Anjun sowieso keine Chance gehabt, Anjuns Zukunft nicht zu deuten. Schließlich wäre das sofort aufgefallen. So viele Schüler waren es ja nicht im Wahrsagen.

Anjun mußte leise lachen. „Hast Du schon mal daran gedacht in die Theater-Ag einzutreten?“ Seine blauen Augen blitzten. „Du machst Deine Sache wirklich gut. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Noise das genau so sehen würde. Aber nun ja... Noise und ich sind ohnehin niemals einer Meinung.“

Shouky grinste verlegen. "Mh, Theater-AG ist eigentlich nicht so mein Ding. Zu viele Leute, die bei Vorführungen zuschauen." Sie lächelte. Eigentlich mochte sie Theater und auch selbst in eine andere Rolle schlüpfen, war interessant. Das einzige Hindernis waren die Auftritte, bei denen viel zu viele Menschen zusahen und sie beobachteten. Shouky hasste es, wenn die ganze Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war. "Wenn sich die Gelegenheit ergeben würde, würde ich vielleicht mitspielen. Als Baum oder so." Sie fing an zu kichern.

„Du hast Talent zu mehr.“, meinte der Nachtkrabs zwinkernd. „Soll ich Dir das auch zur Bestätigung aus dem Kaffeesatz lesen? - Und was Noise betrifft... Du hast Dir das ausgedacht, damit ich mich mit Deiner Freundin versöhne, oder?“

Shouky lächelte Anjun immer noch etwas verlegen an. "Sowas ähnliches hat Anselm beim Frühstück zu mir auch schon gesagt.. nur bezog sich das auf meine Kreativität." Sie zuckte mit den Schultern. "Naja, mal gucken. Aber aus dem Kaffeesatz brauchst dus mir nicht lesen, da wirst du das bestimmt nicht finden!" Sie lachte leise und wurde dann wieder ernst. "Ehrlich gesagt, hätte ich es dann eher Noise deuten müssen. Ich kenne zwar nicht die ganze Geschichte, aber ich würde sagen, dass größtenteils Noise selbst Schuld daran ist. Gestern zum Beispiel.. sie hätte sich ja nicht zu uns an den Tisch setzen müssen. Schließlich war nicht mal Diana bei mir, dann hätten sie sich doch einen anderen Platz suchen können." Shouky seufzte und zuckte mit den Schultern. Sie hasste es, zwischen den Fronten zu stehen. Aber sie wollte Anjun erklären, dass sie nicht ihn für den allein Schuldigen hielt.

Jetzt war Anjun doch ein bisschen überrascht. Er hatte erwartet, dass Shouky zu ihrer Freundin hielt und ihm allein die Schuld gab. „Nett, dass Du das sagst.“ Kurz überlegte er, ob er noch mehr sagen sollte, entschied dann aber besser das Thema zu wechseln. Er wollte Shouky nicht in Loyalitätskonflikte bringen. „Kannst Du noch etwas anderes spannendes darin sehen? Zum Beispiel, ob ich einen guten Blocksbergabschluß machen werde? Oder was ich von Beruf werde?“

Shouky war erleichtert, als Anjun das Thema wechselte. Sie hatte schon genug gesagt, jetzt kannte er wenigstens einen Teil ihrer Meinung dazu. "Mmh," murmelte sie, während sie ihren Blick wiedeer auf den Kaffeesatz richtete. "Das hier sieht ein bisschen aus wie eine Krone. Vielleicht wirst du ja König," sie lachte. "Oder es bedeutet einfach nur, dass du einen guten Abschluss machen wirst wie ein König." Shouky seufzte. "Oh man, ich bin eine schreckliche Wahrsagerin!"

„Mit einem guten Blocksbergabschluß König werden... so kann für mich die Wahrsagen-Stunde ausklingen.“ Anjun stich sich das feine, rote Haar zurück und lehnte sich bequem nach hinten. Er war der Meinung für heute genug geweissagt zu haben. Unter halb geschlossen Lidern sah er Shouky an. „Und weißt Du schon, was Du von Beruf werden möchtest? Vielleicht wirklich etwas im sozialen Bereich?“

"Das freut mich, wenn ich dich wenigstens glücklich machen konnte," meinte Shouky lachend. Sie war von ihrer heutigen Leistung nicht gerade sonderlich überzeugt. Aber solange Anjun zufrieden war, machte das ja nichts. Auch Shouky lehnte sich zurück und sah Anjun nachdenklich an, als er sie nach einem Beruf fragte. "Ich weiß nicht, sozialer Bereich wäre sicher eine Idee. Aber eine genaue Vorstellung habe ich eigentlich noch keine. Weißt du es denn schon? Außer natürlich, falls du König wirst."

„Ich bin der junge Baccaracus, warum sollte ich mich mit einem Muggeltitel schmücken wollen.“ Der Junge hob spöttisch die Augenbrauen und lächelte hintergründig. „Aber da ich doch eine Berufsausbildung brauche, werde ich wohl Auror werden – vorausgesetzt ich schaffe die entsprechenden Noten. Aber nach Deiner Weissagung wird da ja kein Problem.“

Shouky grinste, sowas in der Richtung hatte sie erwartet. "Auror.. ja, das ist ein sehr interessanter Beruf. Das weiß ich ja von meinem Vater, er erzählt mir ab und zu etwas. Während dem Joggen zum Beispiel." Sie lächelte. Anjun als Auror, das konnte sie sich sehr gut vorstellen. "Klar, die Noten schaffst du locker. Hab ich dir doch vorausgesagt! Oder glaubst du mir nicht? Tzz," Shouky sah Anjun gespielt wütend an und fing dann an zu lachen.

Anjun streckte sich und schloß entspannt die Augen. „Natürlich glaube ich Dir. Erst mache ich den Abschluß, dann werde ich Auror und dann werde ich das tun, was die Baccaracus immer getan haben. Die Grenze zwischen der Muggelwelt und der magischen Welt zu schützen, Schätze alter Zeit erforschen, sich mit den alten Bewohnern der Erde zu verbrüdern, dunkle Artefakte und unberechenbare Kreaturen hüten und natürlich immer wieder das Züglein an der Wage sein.“ Träge öffnete er die Augen und schielte auf die Uhr. „Und ich glaube bald ist die Stunde zu Ende...“

Interessiert hörte Shouky Anjun zu. Natürlich war 'Baccaracus' ihr ein Begriff. Trotzdem war sie der Meinung, dass sie über Anjun selbst viel zu wenig wusste. Doch sie wusste auch nicht, wie viel der Junge von sich preisgeben wollte. Also beschloss sie, ihm zumindest jetzt keine Fragen zu stellen. Irgendwann würde sich vielleicht die passende Gelegenheit dazu ergeben.

Shouky nickte. "Ja, die Stunde müsste bald zu Ende sein und dann gibts schon wieder was zu essen. Eigentlich bin ich ja noch satt," sie musste grinsen, als sie an das Schokocroissant-Frühstück dachte.

"Ja, schon gut", grinste Högni und richtete seinen Zauberstab auf den Kaffee und dehydrierte den Bodensatz in der Tasse. Dann angelte er sich einen Teller und kippte das trockene Pulver darauf. "So, und dann..." Sein Finger fuhr über und durch den Tellerinhalt. "Bitte sehr. Mal sehen, ob Du es schaffst, da nochmal dasselbe drin zu erkennen." Högni glaubte zwar sehr wohl daran, dass man mit Wahrsagen wirklich wahrsagen konnte. Allerdings glaubte er auch, dass es nur funktionierte, wenn man auch daran glaubte und Dominic glaubte eindeutig nicht - oder jedenfalls glaubte er nicht an seine eigenen Wahrsagefähigkeiten.

"Wenn ich das wirklich will, erkenne ich genau dasselbe darin, was ich gerade erkannt habe. Wenn ich unbedingt wollte, würde ich auch genau das darin erkennen, was ich unbedingt darin erkennen wollte. Also dass du von einer Flutwelle weggespült werden wirst, genau so wie alle anderen Leute hier auf Rungholt und so." Dominic knabberte kurz an einem seiner Fingernägel und betrachtete dann die Linien und Muster auf dem Teller.
"Gehetzt und getrieben..." Er deutete auf eine der Linien. "Irgendjemand verfolgt dich. Es ist zwar eindeutig kein Grimm, aber irgendjemand ist da, der es auf dich abgesehen hat." Dominic drehte den Teller um 90° nach links. "Nein, ansonsten schweigt sich das Orakel aus. Die Linie da steht für Wasser... Wieso denn jetzt Wasser? Das ist doch total bescheuert. Unsere Schicksale sind doch vermischt im Orakel. Es will uns sagen, wir seien wie Feuer und Wasser." Dominic drehte den Teller noch einmal um 90°. "Was erkenne ich noch? Da sind echt viele Linien, aber die geben keinen Sinn. Das da kann zum Beispiel für Karriere stehen, aber auch für Haarausfall, wenn man statt dieses Hakens diesen da drüben berücksichtigt." Dominic verdrehte die Augen. Dann schluckte er kurz und schob den Teller Högni zu. Wenn er das richtig gesehen hatte, dann wurde das Orakel doch deutlicher, aber ging in Högnis Privatsphäre hinein. Die ging ihn ja gar nichts an. "Das war's. Mehr hat deine Zukunft leider nicht zu bieten. Wieder kein Geld."

Anjun fühlte sich entspannt in Shoukys Gegenwart. Er konnte gar nichts dagegen unternehmen. Auch wenn er das Fach Wahrsagen nicht mochte, das Mädchen hatte eine so nette und friedfertige Art, die jeden milde stimmen mußte. Der Schmerz der Träume der letzten Nacht verging wie der Abendnebel in der Sonne.

Es war warm im Zimmer geworden. Bald würde Mittag sein und Anjun fühlte sich angenehm schläfrig. Da die Stunde jedoch noch nicht ganz vorbei war, nahm er eine Tasse und brühte Kaffee auf.

"Du solltest wirklich was soziales machen.", sagte er träge. "Es gibt wenige Menschen, die andere sofort entspannen können." Der Junge nahm einen Schluck Kaffee, aber er war noch zu heiß zum trinken. Natürlich hätte er einfach nur seinen Zauberstab ziehen müssen, um ihn abzukühlen, aber er hatte es nicht eilig. Wenn die Stunde beendet war ehe Shouky im nassen Kaffeesatz lesen konnte, war ihm das auch recht.

Shouky war mittlerweile wieder müde geworden. Sie war das frühe Aufstehen wohl doch nicht sofort wieder gewohnt. Mühsam versuchte sie, ein Gähnen zu unterdrücken. Sie war froh, wenn wenigstens der Unterricht vorbei war. So viel würde heute dann nicht mehr passieren.. außer natürlich das wichtige Treffen am Nachmittag! Während Anjun seinen Kaffee aufbrühte, dachte sie darüber nach, was sie vor dem Treffen noch erledigen wollte. Aber ihr fiel eigentlich nichts wichtiges ein, was sie unbedingt noch erledigen musste.

"Es gibt wenige Menschen, die andere sofort entspannen können." Erstaunt sah Shouky auf. "Kann ich das denn? Andere sofort entspannen?" Sie lächelte Anjun an. "Danke. Ich werde auf jeden Fall darüber nachdenken." Dann beobachtete sie Anjun, wie er versuchte seinen Kaffee zu trinken, aber er war selbstverständlich noch viel zu heiß.

Anjun pustete und trank dann seinen Kaffee aus. Nachdem der Grus ein wenig abgekühlt war, rührte er mit seinen Fingern darin und reichte die Tasse dann Shouky. „Meine Zukunft liegt in Deinen Händen. Hauptsache Du siehst für mich keinen Grimm.“

Lächelnd warf Shouky wieder einen Blick in die Tasse. Es wäre gut, wenn sie jetzt dasselbe deuten könnte wie schon zuvor.. oder wenigstens etwas Ähnliches. Sonst würde Shouky endgültig anfangen, an ihren Wahrsage-Fähigkeiten zu schweifeln. Sie kniff die Augen zusammen und betrachtete den Kaffeesatz. "Sieht aus wie.. ein Kreuz. Oder vielleicht könnte man es auch als Plus-Zeichen deuten. Und das steht dann wieder für den guten Abschluss." Shouky zog eine Augenbraue nach oben und sah Anjun fragend an. War das logisch oder nur ihre bloße Fantasie und Hoffnung darauf, dass sie doch eine relativ gute Wahrsagerin war?

„Dann ist es wohl wahr,“ Anjun lehnte sich schmunzelnd zurück. „und ich werde einen guten Abschluß machen. Zumindest bin ich aber so gut motiviert, dass es zu einer sich selber erfüllenden Prophezeiung wird. Steht noch mehr interessantes darin? Noch was Neues? Was anderes?“, fragte er neugierig.

Shouky lächelte. Wenigstens glaubte Anjun daran - oder zumindest tat er so - dass sie eine gute Wahrsagerin war. Sie warf noch einen Blick in die Tasse. "Was Neues eigentlich nicht.. obwohl, doch. Da.. eine gezackte Linie. Für was steht die denn?" Shouky sah in das aufgeschlagene Buch. "Hm. Dann wird dir wohl ein besonderes Erlebnis passieren. Obs ein positives oder negatives ist, steht nicht dabei und im Kaffeesatz steht auch nichts, was darauf hindeuten könnte." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe mal, dass es etwas positives ist."

Ein Hauch von Besorgnis legte sich auf das fein geschnittenes Gesicht, als er an seinen Vater dachte. „Ich hoffe Du hast recht und es ist ein positives Ereignis.“, murmelte er. Rasch versuchte er den unangenehmen Gedanken zu verdrängen, indem er die Taschenuhr zog. „Oh, nur noch zwei Minuten. Dann sollten wir wohl zusammenräumen. Anaximander, Leander und ich haben uns zum Essen verabredet und ich möchte uns einen guten Platz im Speisessaal reservieren. Hast Du auch schon was vor?“

Shouky sah die Besorgnis in Anjuns Gesicht und biss sich auf die Lippe. Vielleicht hätte sie das Ereignis besser nicht erwähnen sollen? Doch er riss sich sofort wieder zusammen und war in Gedanken scheinbar schon bei einem anderen Thema. Lächelnd schüttelte Shouky den Kopf. "Nein, ich habe noch nichts vor. Aber vielleicht hat ja irgendjemand anderes mit mir etwas vor," meinte Shouky lachend während sie langsam begann, ihre Sachen zusammenzuräumen.

„Fallst Du Dich uns anschließen magst...“, lud der Nachtkrabs sie ein. Anjun wußte, dass auch Anaximander gut mit Shouky zurecht kam. Das Mädchen war gut erzogen und aus einem Magierhaushalt. Er würde sicher nichts dagegen haben.

"Wenn euch das nicht stört, gerne. Außer ihr habt noch private Dinge zu besprechen, dann kann ich natürlich..." Shouky zuckte mit den Schultern und lächelte Anjun unsicher an. Anaximander war zwar vielleicht nicht immer so einfach und man musste viel Glück und gute (Familien)kontakte haben, damit man von ihm akzeptiert wurde, doch Shouky kam relativ gut mit ihm klar. Trotzdem hatte sie immer viel Respekt vor ihm und war sich deshalb nicht sicher, ob Anaximander sie wirklich dabei haben wollte, wenn er mit seinem Freund Anjun zu Mittag aß.