(5.-6. Klasse) Gewächshaus (2) - BEENDET

Magister Brehmer verfolgte interessiert, wie die Fünfklässler sich mit ihren Scheureben beschäftigten. Wie zu erwarten fiel es vor allem den Jungen schwer, mit ihren Pflanzen zu sprechen. Mädchen waren meist etwas einfühlsamer und verstanden schneller, worauf es bei Kräuterkunde ankam. Pflanzen brauchten nicht nur Wasser, sondern auch viel Liebe und Zuneigung. Allerdings war es einer der Jungen, der als erster seine Schüchterne Scheurebe aus dem Topf hervorlocken konnte. Interessant.

Der Kräuterkundelehrer drehte eine Runde bei den Sechstklässlern vorbei. Aber dort schien alles gut zu funktionieren. Die Schüler hatten anscheinend nicht vergessen, wie man Klatschianischen Fuchsien stutzte ohne zu viel zurückzuschneiden. Magister Brehmer schlenderte an den Schülern vorbei und ging nun bei den Fünftklässlern durch die Reihen, um nach dem Rechten zu sehen.

Der Mister ging um und Teddy spürte die hämischen Blicke von Gwi in seinem Nacken, als dessen blöde Rebe keimte! So ein Angeber, dachte er missmutig und versuchte ihn kurzerhand auszublenden. Warum nur hatte er sich neben Gwi gesetzt? Der Junge schien ihn nicht zu mögen, obwohl er ihm doch gar nicht getan hatte! Das war so unfair!

„Hey... ähm, Kraut.“ Er drehte Gwi ein klein wenig den Rücken zu und beugte sich über den Blumentopf. „Also, ich weiß, du findest es bestimmt toll in deinem dunklen.. äh.. Samen.“ Er trat nervös von einem Bein aufs Andere und räusperte sich. Jeden Moment konnte der Magister vorbekommen und würde dann sehen, was er für eine Lusche war!

„Also, wäre toll, ähm.. wenn du… also, du weißt schon.“ Teddy spürte, wie er rot anlief. Das würde doch nie im Leben klappen! So was Albernes! Nur weil er mit dem blöden Samen sprach, würde er doch nicht wachsen!

Teddy schüttelte den Kopf. „Also…“ er musste dringend aufhören, seine gestammelten Sätze so zu beginnen. „Wachs doch mal, ja? Dann… also dann… gieß ich dich jeden Tag, ja? Also eine Art Deal.“ Er biss sich auf die Unterlippe. „Okay, ich schlage dir einen Deal vor, ja? Wenn du wächst und du mich nicht wie einen Vollidioten dastehen lässt, dann gieße ich dich jeden Tag, ja?“

Im Topf passierte nichts. Teddy atmete halb verzweifelt, halb entrüstet aus. Großartig.

Isaac sah weder rechts noch links und sah daher nicht, was die Pflanzen der anderen machten. Es interessierte ihn auch nicht wirklich. Irgendwie tat es ihm gerade gut, alleine zu sein. Alleine mit der Pflanze. Diese erwies sich als guter Zuhörer, fand Isaac, und irgendjemandem musste er sich ja mal anvertrauen.

„Weißt du, ich bin auch ziemlich schüchtern“, erklärte er leise der Pflanze, als diese wieder aufgehört hatte, zu wachsen. „Ich glaube wir sind uns ziemlich ähnlich. Du bist eine Pflanze und hast Angst, zu wachsen. Und ich bin ein Zauberer und habe Angst vor Magie.“ Isaac seufzte. „Und ich habe Angst, zu versagen. Und ich hab auch versagt heute, schon in der ersten Stunde. Alle haben den Zauber geschafft und ich nicht und ohne die liebe Lehrerin hätte ich noch nicht einmal die Vorübung geschafft.“

Traurig stützte Isaac seinen Kopf auf seine Hände. Die Pflanze war wieder ein bisschen weiter gewachsen. Er lächelte schwach. „Aber du scheinst begabt zu sein. Du wächst ganz schön, viel besser als ich zaubere.“ Isaac kam der absurde Gedanke, dass die Pflanze vielleicht so gut wuchs, um ihn aufzuheitern. Jedenfalls hatte es ein bisschen diese Wirkung auf ihn; er fühlte sich nicht mehr ganz so niedergeschlagen.

Inzwischen waren alle Fünftklässler mit ihren Pflanzen beschäftigt und Gwi fand es nun nicht mehr ganz so albern, mit seiner Schüchternen Scheurebe zu sprechen, nachdem es alle anderen doch auch machten. Da sich jeder um seine eigene Pflanze kümmerte, hörte man den anderen auch gar nicht zu. Und dadurch war es auch nicht mehr peinlich. Ermutigt von den beiden Keimblättern, berührte Gwi die Pflanze vorsichtig.

"Siehst Du, hier draußen ist es doch ganz schön", meinte er aufmunternd. "Das ist unser Gewächshaus. Hier sind ganz viele andere nette Pflanzen, es ist schön warm und sicher. Und wenn Du noch ein wenig wächst, bekommst Du auch einen viel besseren Ausblick auf alles." Langsam, aber beständig wuchs Gwis Scheurebe, wenn auch nicht so schnell wie die von Isaac. Aber es bildeten sich neue Triebe und Blätter. Die Pflanze wurde buschig und rollte nach und nach neue Seitentriebe aus. Gwi sah ihr dabei ganz begeistert zu. Kräuterkunde war fast genauso toll wie Zauberkunst.

Die Arbeit war Routine und lenkte nicht wirklich vom Gedankenkrieg ab. Ein Krieg von sich gegen sich selbst. Sarah ließ den Blick über die Mitschüler schweifen. Einige redeten leise miteinander, erzählten sich von ihren Ferien oder machten Pläne für den heutigen Nachmittag. Sarah hörte auch gelegentliches Lachen.

Sie sind so vollkommen anders, so voller Leben, dachte Sarah und schnitt weiter an ihrer Blume, ohne wirklich darauf zu achten, Ich war und bin leer. Ich habe nichts vorzuweisen.

Ein wenig kam sich Sarah vor wie eine Puppe, der ein Bauteil fehlte. Eine kaputte Puppe, die nie ein ganzer Mensch werden konnte.

Mangelware, kam ihr der bittere Gedanke. Wieder schaute sie zu den schwatzenden Mitschülern. Die anderen Menschen gehen an mir vorbei und ich gehe an ihnen vorbei. Sind sie durchsichtig? Oder bin ich durchsichtig? Braucht die Welt mich überhaupt? Bin ich ein notwendiges Wesen?

Wieder schaute sie zur Pflanze, jedoch ohne sie wirklich zu sehen. Sie schnitt – und dieses Mal schnitt sie keinen Trieb ab, sondern die Sprossachse (ooc: Ich kenne mich mit Pflanzen so gar nicht aus ... sagt man dem so? Dem Stiel halt. Sie schneidet jedenfalls etwas für die Pflanze essenziell wichtiges ab. ).

Sarah jedoch war zu sehr in ihre Gedanken vertieft, als dass ihr ihr fataler Fehler aufgefallen wäre. Sie hatte sich in Kräuterkunde noch nie einen Patzer erlaubt, bisher war sie immer konzentriert und vielleicht sogar mit zu viel Ernst bei der Sache gewesen. Doch nun ... war eben alles anders.

Braucht ... die Welt mich überhaupt...?

[OOC: Ich denke, so spannend ist der Plot nicht. Wer mag, postet noch einen Abschluss und dann raus mit den Kinnings, =^.^=]

Die Stunde rückte voran und Magister Brehmer wandelte hier und dort durch die Reihen. Ein paar der kleinen Fünftklässler schienen wirklich gut mit Pflanzen umgehen zu können. Die anderen würden anscheinend aber wenigstens keinen großen Schaden in seinem Unterricht verursachen. "Bitte kommen Sie langsam zum Ende", erklärte der Magister schließlich, "und notieren Sie sich die Hausaufgaben, die ich gleich anschreibe. Die Fünftklässler bringen bitte nacheinander ihre Pflanztöpfe zu mir, damit ich das Wachstum ihrer Schüchternen Scheureben bewerten kann. Wer möchte kann seine Scheurebe mit auf sein Zimmer nehmen. Sie geben hübsche Zierpflanzen für die Fensterbank ab, müssen aber täglich gegossen und besprochen werden."

Während die Kleinen die Hausaufgaben abschrieben, sah sich Magister Brehmer noch die Arbeit der Sechstklässler an. Eigentlich sah das alles sehr gut aus, nur... "Fräulein Noctifer?" Was bei Tejas grünem Daumen hatte das Mädchen denn mit ihrer Pflanze angestellt. "Sie sollten ihre Pflanze zurückschneiden, nicht... zerstümmeln." Das wieder zu beheben würde ihn wohl ein wenig Zeit und Mühe kosten. Die schöne Geranie...

Teddy redete auf seinen doofen Samen ein, versprach dem Ding das Blaue vom Himmel und blickte immer wieder verstohlen zu Gwi. Warum wuchs das blöde Ding nicht? Also so gar nicht? Vorsichtig hob er mit spitzen Fingern ein Teil der Erde an und lugte darunter. Der Same keimte! Nicht mal einen Zentimeter maß der erste Trieb!

Entrüstet schnaufte Teddy und ließ sich auf den Stuhl plumpsen. Das war also Kräuterkunde, dachte er missmutig, als der Magister sie aufforderte, ihren Topf vorn zu präsentieren. Er seufzte und erhob sich. Besser sofort hinter sich bringen, dachte er und hievte das Blumending zum Magister.

Der erste Spross hatte nicht einmal die Erdschicht durchstoßen.

Gwigalois war mit der Entwicklung seiner Schüchternen Scheurebe sehr zufrieden. Sie war inzwischen so hoch wie sein Unterarm lang und besaß mehrere hübsche Blätter. Auch ein paar Knospen waren zu sehen. Gerne hätte Gwi seine Pflanze noch blühen lassen, aber vermutlich war dazu mehr Überzeugungsarbeit nötig und die Stunde war bereits vorbei.

Trotzdem sehr zufrieden mit seiner Arbeit brachte Gwi seine Scheurebe nach vorne, wo der Magister sie eingehend untersuchte und ihn mit einem Kopfnicken für seine Arbeit lobte. Gwigalois strahlte über beide Wangen und packte seine Sachen zusammen, während andere Schüler nach vorne gingen. Seine Scheurebe würde er natürlich mitnehmen. Bestimmt konnte er sie auch noch zum Blühen bringen.

[OOC: Gwi ist wohl fertig hier. Außer jemand mag noch mit ihm reden, =^.^=. Ich lasse ihn mal beim Einpacken...]

// "Fräulein Noctifer?" Was bei Tejas grünem Daumen hatte das Mädchen denn mit ihrer Pflanze angestellt. "Sie sollten ihre Pflanze zurückschneiden, nicht... zerstümmeln."//

Sarah zuckte zusammen, als sie die Stimme des Magisters vernahm. Etwas verwirrt sah sie ihn an, dann blickte sie zurück zu der Pflanze und erschrak. Sie hatte vor lauter rumgrübeln gar nicht bemerkt, was sie angestellt hatte! Einen ganz kurzen Moment lang kam Panik in ihr hoch. Sie hatte etwas vermasselt, sie hatte noch nie einen Fehler gemacht in Kräuterkunde, sie war nicht mehr perfekt! Doch dann kam die Erinnerung schlagartig wieder zurück: Es war ja vollkommen egal, ob sie perfekt war oder nicht. Ihre Mutter wollte sie ja so oder so nicht mehr haben. Sie war ja langweilig. Aber um die Pflanze tat es ihr schon ein wenig leid. Immerhin hatte sie diese schon letztes Jahr aufgezogen und wachsen sehen.

Sarah schluckte und legte die Schere weg. Sie hob die Hand und berührte die Stelle, die sie abgeschnitten hatte. Die Pflanze schien an der verwundeten Stelle eine weißliche Flüssigkeit abzusondern.

Als würde sie bluten, ging es Sarah durch den Kopf und sie schaute die Pflanze traurig an. Tut mir leid...

Doch dann zog sie die Hand zurück und blickte kurz zum Magister auf, dann sah sie auf ihre Schuhe und ließ die Schultern hängen.

Sarah hatte Probleme! Sialuk legte ihre Schere sicher zur Seite, tätschelte geistesabwesend ihre Geranie und trat hinter Sarah; den Magister im Blick, wie einen lauernden Löwen. Sie konnte nichts tun, das wusste sie. Und trotzdem konnte sie nicht nichts tun…

Mit geballten Fäusten stand sie da und überlegte fieberhaft. Dann sammelte sie ihren Mut zusammen. „Herr Magister Brehmer? Ich glaube, ich brauche Hilfe bei meiner Geranie!“

Gern hätte sie Sarah die Hand gedrückt…

Das Mädchen blickte erschrocken auf und ihre Geranie an. Magister Brehmer hatte das Gefühl, dass die Kleine so in Gedanken gewesen war, dass ihre Schere ganz von alleine geschnitten hatte und zwar einfach alles, was vor ihre Klingen kam. Sollte man da nicht besser von Glück sprechen, dass das Fräulein Noctifer nur ihre Geranie im Blick gehabt hatte? Hier standen einige Pflanzen, die einen solch radikalen Schnitt nicht verkraftet hätten.

Bevor der Magister dazu kam, das Mädchen zu fragen, wo um alles in der Welt ihre Gedanken gewesen waren, fragte ihn Sialuk Meyer um Hilfe mit ihrer Geranie. Wilhelm Brehmer seufzte stumm. "Ich werde Deine Pflanze bis zur nächsten Stunde wieder richten", sagte er zu Sarah. "Die Sechstklässler können dann für heute gehen", erklärte er laut und deutlich. Dann wandte er sich Sialuk zu. "Nun, Fräulein Meyer, was ist denn Ihr Problem." Die Geranie des Mädchens sah doch ganz gut aus.

Sialuk hatte es geschafft, die Aufmerksamkeit vom Magister auf sich zu lenken; Sarah war frei!

Doch was sollte sie nun tun? Etwas panisch überlegte sie und winkte in die Richtung ihrer Geranie. Mit der war alles in Ordung - und das würde der Magister natürlich sehen....

„Ich habe da vorhin ein Tierchen auf meiner Pflanze entdeckt. Was mache ich, wenn es irgendein Käfer ist, der die Geranie fressen will?“ Sie hatte gar nichts entdeckt, aber das war im Moment auch egal.

"Ein Käfer?" Bei Magister Brehmer schrillten sämtliche Alarmglocken. "Wie sah er denn aus? Wo haben Sie ihn denn gesehen, Fräulein Meyer?" Vermutlich nicht an der Unterseite der Blätter, sicher an den Stengeln, Blättern oder auf den Blüten. Wenn das Mädchen ihn entdeckt hatte, musste er zudem groß genug und auffällig genug gewesen sein. Das schlos schon einmal den Pigmenischen Tarnkäfer aus und die Pilzmotte. Beide höchst gefährlich in einem geschlossenen Ökosystem wie diesem Gewächshaus.

„Öhm…“ Sialuk begann zu schwitzen. Was sollte sie tun? Bloß nichts anmerken lassen, dachte sie und suchte fieberhaft nach einer Lösung. „Es war etwas winzig-kleines im Erdreich.“ behauptete sie und deutete auf den Blumentopf.

„Ich bin mir aber nicht sicher. Es hätte auch nichts sein können…“ Sie schluckte, blickte aber nicht zu Boden. Wenn sie überzeugend sein und Sarah schützen wollte, durfte sie dem Magister nicht zeigen, wie viel Angst sie eigentlich hatte.

"Sagten Sie nicht eben, Sie hätten den Käfer auf der Pflanze gesehen?" Magister Brehmer war ein wenig irritiert. Kinder waren nicht wirklich seine Welt, auch wenn er sie nun schon seit Jahrzehnten unterrichtete. Er zückte seinen Zauberstab und drückte ihn mit der Spitze in die Erde. Dann murmelte er einen Zauberspruch und starrte konzentriert in das Erdreich. Kein Käfer ließ sich blicken. Er zog den Zauberstab wieder heraus. "Ich kann Sie aber beruhigen. Hier ist nichts, was einem Käfer entspricht. Vielleicht haben Sie sich wirklich geirrt." Er würde trotzdem zur Sicherheit nach dem Unterricht das Gewächshaus gründlich mit Magie absuchen.

Sialuk zwang sich, nicht erleichtert aufzuseufzen. Kein Käfer. Keine weiteren Beschuldigungen mehr vom Magister.
Sie lächelte ihn an und unterdrückte den Wunsch, sich über die Stirn zu wischen. „Da bin ich aber glücklich.“ Sagte sie und blickte zu ihren Sachen. „Ich geh dann auch mal.“

Schnell wechselte sie einen Blick mit Sarah. Sie würde später mit ihr reden…

Eilig, als sei es doch eine Flucht, packte sie ihre Sachen und verließ das Gewächshaus.

Tbc: endlich; und weg ^^