Hauptgebäude: Bibliothek (1. OG)

Yves beruhigte sich langsam und Herr Kesselflicker setzte sich auf einen Stuhl, der in der gleichen Ecke stand. Er brach die Schokolade in mundgerechte Stücke und gab Amy gleich zwei Stücke – eins für Yves – in die Hand. Seine eigene Anwesenheit würde bei dem Jungen in diesem Moment wohl eher nicht hilfreich sein.

„Jetzt mal im ernst, Amy.“ Er blickte die Kinder mitfühlend an und achtete darauf, Yves ein klein wenig Privatsphäre zu lassen, damit dieser sich wieder fing. „Du meinst es gut, aber glaubst du wirklich, dass du fremde Zauber einfach nur lesen musst und schon funktionieren sie? Ich meine, die Bannsprüche, die ich jeden Abend auf die Bibliothek lege, bändigen die Bücher. Ohne diese Sprüche würden sie sich gegenseitig anknabbern, jagen oder etwas noch schlimmeres machen. Und was glaubst du, passiert mit Schülern, die sich in der Bibliothek befinden, wenn von Außen die Sprüche gesprochen werden?“ Er schüttelte den Kopf und biss selbst in dein Stück Schokolade.

„Und dich zu lesen, große Aurorin, ist nicht schwer.“ Einen Moment hielt er inne und lächelte. Amy war ihm bereits in ihrer ersten Woche auf Rungholt aufgefallen. Kaum ein anderer Schüler hatte ihn so gefordert und an seinen Nerven gezerrt, wie das freche rothaarige Mädchen.

„Kommt schon.“ Er stand auf und deutete zum Ausgang. „Ich bringe euch ins Langhaus.“

Amy ließ ihre Hand auf Yves Schulter ruhen und starrte Herrn Kesselflicker an. Was? Sie war keine gute Aurorin? Was sollte das denn? Das war doch eine glatte Lüge!

Trotzig zog sie die Stirn kraus und nahm die zwei Stücke Schokolade in die Hand. Geistesabwesend hielt sie Yves ein Stück hin und starrte weiterhin den Bibliothekar an. Was erzählte er da über ihr Zaubertalent? Sie hätte üben sollen? Was meinte er damit? Sie konnte toll zaubern!

Sie biss in die Schokolade und sofort macht sich ein wohliges Gefühl in ihr breit. Und sie konnte wieder sprechen.

„Aber, Herr Kesselflicker.“ Sie schluckte die weiche Schokolade hinunter. „Und was passiert, wenn man sich in der Bibliothek befinden, wenn von Außen die Sprüche angewendet werden? Und wie kann man die Sprüche umgehen? Was, wenn ich Ihnen sage, dass wir berechtigten Grund haben, zur Annahme, dass sich jemand Zugang verschaffen will?“

Während Amy plapperte und Yves noch immer die Hand auf die Schulter gelegt hielt, führte sie Herr Kesselflicker aus der Bibliothek. Stumm legte er die Bannsprüche auf die Einrichtung und geleitete die Kinder aus dem Hauptgebäude hinaus, während er ihnen noch je ein Stück Schokolade aufdrängte.

Tbc: Langhaus: Wolpertinger - Aufenthaltsraum (+Kesselflicker, + Yves)

PP: 18:30-20:00 Uhr: Abendessen - Hauptgebäude: Speisesaal (EG) + Felipa

(Ooc: Das ist jetzt zeitlich natürlich vor dem Schließen der Bibliothek.)

Evi spürte ihr Herz eine Nuance zu schnell schlagen, als sie neben Felipa zur Bibliothek lief. Angekommen nickte sie Herrn Kesselflicker kurz zu und folgte Felipa dann in eine Ecke zu einem der leerstehenden Tische. Sowieso schien niemand hier zu sein, ausser einer Siebtklässlerin, die den Bibliothekar in Beschlag nahm. Evi mochte Herrn Kesselflicker ganz gerne. Vor allem wegen seinem regenbogenfarbenen Schal musste sie immer wieder grinsen. So auch jetzt, als sie sich an den Tisch setzte und mal wieder einen Blick auf den Bibliothekar warf.

Felipa trottete hinter Evi her und setztesich ihr gegenüber. Ihr war bewusst das es schon spät war, aber da die Bibliothek ihr zweites Zuhause war, kannte man sie dort schon und gewährte ihr, wenn sie nett darum bat, die ein oder andere Minute der zeitlichen Überschreitung. Es war war zwischen all den Büchern die sich schützend um sie auftürmten, hier fühlte sich Felipa wohl und konnte einfach perfekt lernen. Sie legte das dicke Buch auf den Tisch und suchte nach der Seite auf der sie zuletzt war. "Ach, ich bräuchte wirklich mal ein Lesezeichen. So eines wie Muggel sie haben. Kennst du die?" Sie würde sich ja selber sogar eins basteln, aber der letzte Versuch ging gründlich daneben.

Evi wendete den Blick vom Bibliothekar ab und kramte aus ihrer Tasche ihr Tagebuch. Auf Felipas Frage hin lächelte sie und nickte. Sie tippte mit dem Zauberstab auf das Tagebuch, murmelte das Passwort und öffnete es. Daraus zog sie ein selbst gebasteltes Lesezeichen: Zwei irgendwie in einander verlaufende Eulen, eine schwarze und eine weiße, deren Flügel auf skurrile und irgendwie abstrakte Art in einander verschlungen waren. Den anderen Flügel hatten die Eulen ausgestreckt. Auf dem schwarzen Flügel stand mit handgeschriebenen, weißen Lettern „So far from real“, auf dem weißen stand in dunklem rot „Wahnsinn trägt die Nacht zu Grabe“.

„So was in der Art?“, fragte Evi. Sie hatte an dem Lesezeichen sehr lange gearbeitet und man sah anhand der Abnutzungsspuren auch, dass es schon etwas länger in Gebrauch war.

Felipa riss die Augen auf und griff über den Tisch nach dem abgenutzen Lesezeichen. "Das ist ja wahnsinnig schön." Sie drehte es und hielt es auf alle Seiten. Echte Bewunderung war in ihrem Gesicht abzulesen. "Hast du es selber gemacht? Wenn ja muss ich sagen das du meiner Meinung nach wirklich talentiert bist." Sie gab es ihr zurück. "Ich kann nichtmal einen Vogel malen, das sieht am Ende wie ein kleiner Gnom mit Flügeln auf Drogen aus.." Sie zuckte mit den Schultern, man konnte eben nicht mit allem gesegnet sein.

Evis Herz machte einen Hüpfer. Felipa fand also, dass sie talentiert war? Das hatte sie zwar schon oft gehört, von Lehrern und ihren Vätern und Freunden ... aber noch nie hatte es sie so gefreut wie in diesem Augenblick. Sie nahm das Lesezeichen entgegen und lachte bei Felipas Worten leise (sie wollte immerhin niemanden beim Lernen oder Lesen stören).

„Ich zeichne recht gerne“, sagte Evi bescheiden mit einem Schulterzucken. „Ich mag Kunst.“ Evi dachte an die Bilder, die sie schon von Felipa gezeichnet hatte und legte wie zum Schutz eine Hand auf das Tagebuch. Wenn Felipa wüsste ... wie würde sie wohl reagieren? „Ich kann dir gerne ein Lesezeichen machen, wenn du magst.“

Felipa hob abwehrend die Hände. "Oh, ich möchte dir damit keine Umstände machen. Wenn du die Zeit dafür hast und die Lust.. würde ich mich sehr dazu freuen." Sie griff nach dem Buch und zog es näher zu sich heran. "Vielleicht kannst du mir ja mal.. ach egal. Nicht so wichtig." Felipa lächelte Evi an und besann sich auf das aktuelle Kapitel.

„Nein, sag!“, entfuhr es Evi, bevor sie sich besinnen konnte. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. Verdammt, sie konnte doch nicht so unhöflich mit Felipa reden. Sie räusperte sich und fügte murmelnd an: „Ich meine ... sag nur. Was könnte ich mal? Du machst mir eh keine Umstände.“

Felipa hob den Blick und rieb sich kurz über die Augen ehe sie ihre Lesebrille hervorholte und aufsetzte. Eine schwarze, leicht Nerdige. Das Modell hatte wenig gekostet, ihr war die Optik in dem Fall egal. "Ach ich dachte nur, vielleicht möchtest du mir deine Kunstwerke mal zeigen? Nur wenn du magst." Insgeheim freute sie sich sehr über die Tatsache das sie vielleicht ein Lesezeichen bekommen würde.

Evi starrte Felipa an, als diese die Brille hervor holte und zu lesen begann. Evi wusste nicht genau warum, aber irgendwie sah Felipa mit der Brille einfach noch viel ... heißer aus. Verlegen senkte sie den Blick und zückte ihren Kohlestift.

„Du kannst ja mal vorbei kommen im Langhaus der Nachtkrabs“, meinte sie mit gut kontrollierter Stimme. „Die Wand dort tapeziere ich jedes Jahr mit Zeichnungen voll.“ Sie begann gedankenabwesend zu zeichnen und erst nach einer Weile bemerkte sie, dass sie wohl unbewusst die Konturen eines Gesichts mit Brille gezeichnet hatte.

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lehnte das Buch leicht senkrecht gegen den Tischrand, während sie weiter zeichnete, damit Felipa das entstehende Bild nicht sehen konnte. Dann zeichnete sie bewusster weiter. Ab und zu schielte sie zu Felipa hoch, erhaschte einen kurzen Blick auf das zu zeichnende Objekt, dann fuhr der Kohlenstift wieder über das Papier. Kinn, Wangen, Mund, Nase, Haare, Augen, alles nahm Gestalt an und man brauchte keine Fantasie, um zu erkennen, dass es eindeutig Felipas Gesicht war. Mit Brille.

Felipa blickte Evi schräg an. Die ganze Wand voll? "Oh, das würde ich mir zu gerne mal ansehen. Meine Wand ist auch voll.. aber mit relativ uninteressanten Dingen." Sie schob sich einige Haarsträhnen nach hinten und versuchte auf das Buch von Evi zu schielen, was sie da wohl gerade zeichnete? Doch dann besann sie sich und starrte wieder auf ihr Buch, sowas gehört sich nicht. Doch der Lehrtext schien gerade total uninteressant zu sein, wen interessierten schon irgendwelche chemischen Formeln..

Uninteressante Dinge? Evi bezweifelte, dass auch nur eine Sache an oder bei Felipa uninteressant sein könnte. Doch sie entgegnete nur ein Lächeln und zeichnete weiter. Schließlich war das Bild fertig und sie war ziemlich zufrieden. Natürlich war Felipa genau zu erkennen, doch einige surreale Züge hatte sich Evi nicht verkneifen können. Und auch schien die gezeichnete Felipe angespitzte, mit Federn bestückte Ohren zu besitzen und auch die Haare gingen teilweise in ein Federkleid über. Zufrieden lächelte Evi und klappte das Tagebuch zu, als der Bibliothekar sie hinauswarf, weil er die Bibliothek schließen wollte.

Schweigend gingen sie zu den Langhäusern und Evi wünschte Felipa eine schöne Nacht und hätte nichts lieber getan, als sie in ihr Zimmer begleitet. Es grauste ihr davor, die neue Zimmerkameradin kennenzulernen. Aber es war ja noch recht früh, bestimmt war diese noch auf. Evi beschloss, früh ins Bett zu gehen oder sich zumindest schlafend zu stellen, damit sie die Begegnung auf den nächsten Tag hinaus zögern konnte. Sie wollte den Abend mit den Erinnerungen an Felipa verbringen und nicht mit einer Fremden.

[Spielausstieg für diesen Tag: Evi und Felipa]