Campingplatz am Edersee (Dominic/Pascal)

Dominic rieb sich den Hintern. Er fragte sich einmal mehr, welcher Teufel ihn geritten hatte, ja zu Pascals Vorschlag zu sagen, dass sie ja eine Fahrradtour machen könnten. Ein paar Tage raus aus Marburg, wo es ziemlich heiß und stickig war, wo sie nur in Pascals Bude hätten herumhängen können oder ständig von Massen an Menschen umgeben wären. Im Rückblick kam ihm das gar nicht mal so schlimm vor, auch wenn er ständig in der Nähe seiner Familie gewesen war. Und bei aller Zuneigung, die besorgten regelmäßigen Besuche seines Vaters strapazierten auf Dauer seine Nerven.
Jetzt blickte er auf den Edersee und versuchte zu vergessen, dass ihm der Hintern weh tat. Es war nicht so, dass er nicht Fahrrad fahren konnte, aber das hieß nicht, dass er es gern tat. Aber es war anstrengend und sein Fahrrad war alt, klapperig und nicht optimal auf ihn zugeschnitten. Ehrlich gesagt gehörte es seinem Vater und stammte bestimmt noch aus dessen Studienzeit.
Mit einem schmerzhaften Seufzen drehte er sich um und blickte seinen Begleiter an. "Wenn es hier Mücken gibt, erwürge ich dich. Ebenso, wenn es hier Ratten und anderes wildes Getier gibt. Bist du ganz sicher, dass das hier sicher ist? Wenn der große Tümpel da über die Ufer tritt und uns wegspült? Und wann steht dieses doofe Zelt? Oder hatte ich das ganz umsonst in der Satteltasche und wir müssen unter dem ach so schönen Sternenhimmel nächtigen? Dann erwürge ich dich besonders langsam." Er musterte Pascal. Den schien das ganze hier weitaus weniger mitzunehmen. Wie hielt der das so klaglos aus?

„Mücken gibt es bestimmt und das Zelt wird um so schneller aufgebaut sein, je mehr Du mir damit hilfst.“, grinste Pascal Dominic fröhlich an. War das tatsächlich leichte Bräune, die sich auf den sonst so blassen Wangen des anderen Jungen zeigte? Nun, nach langer Radtour in der Sommersonne, sollte so gar Dominic Farbe bekommen. //Es sieht gut zu seinen dunklen Locken aus.//, entschied er. //Es war genau die richtige Entscheidung mit ihm campen zu gehen. Auch wenn er meckert.//

„Hier halt mal.“, er drückte ihm eine Zeltstange in die Hand, während er sich an der anderen zu schaffen machte. Vorsichtig richtete er das Zelt auf. „Sieht doch gar nicht so schlecht aus. Fehlen nur noch die Heringe.“

Dominics zahllose Einwände gegen das Campen im Allgemeinen und ihr Zelten im Besonderen wurden von Pascal recht schnell hinfortgewischt. Stattdessen hatte er plötzlich eine Zeltstange in der Hand und dann stand auch schon das Gerippe ihres Zeltes. Er beäugte die Konstruktion vor ihm kritisch. Es sah noch ziemlich schlaff aus und dann sprach er auch noch von... "Heringe?" Er blickte Pascal an, als ob dieser eben behauptet hätte, ein Schwein würde den Himmel entlangfliegen. "Also erstens: Was willst du eigentlich mit Fischen? Wir haben doch noch nicht einmal den Grill angezündet. Und zweitens sehe ich hier keine Fische. Ich sehe hier einen großen Tümpel, aber ich kann nicht angeln..." Er seufzte. "Wir haben noch nicht einmal eine Angel dabei. Oder willst du mich gerade verarschen?" Dominic sah ehrlich verwirrt aus, was nicht häufig vorkam.

Pascal musste lächeln. Dominik hatte ein Art von Humor! Doch dann erkannte er den ehrlichen Unwillen in der Miene des Anderen. Er hatte es nicht als Scherz gemeint. Etwas überrascht sah er ihn an, sagte aber nur: " Du warst noch nie campen, nicht wahr?" Der holte einen Haken hervor, spannte das Zelt und schlug ihn in den Boden. " Das ist ein Hering. Man benutzt es um das Zelt zu festigen." Er spanne eine weitere Seite und schlug den Hering ein. "Zelte ihr nicht mit eurem Internat? Ist wohl ne ziemliche Eliteschule?"

"Das sollen Internate doch so an sich haben, ziemlich elitär zu sein, oder?" Dominic kratzte sich am Kopf. "Ich weiß ja nicht, wie das in..." Er zögerte einen kleinen Augenblick. Beinahe war ihm ein 'Muggel' rausgerutscht. Das war ihm direkt peinlich. Er hatte eigentlich relativ viel mit den Muggels zu tun, also zumindest jenseits von Rungholt. Da beschränkte sich der Zaubererkontakt... Naja, streng genommen hatte er gar keinen mehr, jedenfalls hatte er Übung in gruppenangepasster Sprechweise. Schnell fuhr er fort, damit Pascal nichts merkte. "...anderen Internaten so ist, aber bei uns gibt es feste Gebäude mit Schlafsälen, da müssen wir nicht zelten gehen. Bis auf das eine Mal, da haben wir auf Amrum kampiert. Aber ich hatte mit dem Zeltaufbau nichts zu tun, ich musste Feuerholz sammeln." Seitdem er ihm in den Weihnachtsferien Asyl gewährt hatte, fiel es Dominic wesentlich schwerer, Pacal zu belügen, auch wenn er die Notwendigkeit natürlich einsah. Deswegen ärgerte er sich einen Augenblick darüber, dass er nicht die Wahrheit sagen konnte und guckte lieber interessiert auf den Hering. 'Lieber weg von dem Thema.' Er nahm auch einen Hering zur Hand und versuchte mehr schlecht als Recht, ihn in die Erde zu drücken. "Wieso heißen die Dinger denn Heringe?"

„Tsja, das wüsste ich auch gerne.“, murmelte Pascal, während er den letzten Hering einschlug. Er wackelte probehalber an den Stangen, das Zelt schien stabil zu sein. „Heringe... Hmm... vielleicht weil sie so klein und silbern sind?“, mutmaßte er und schleppte die zweite Radtasche heran. Er holte einiges an Gepäck und Vorräten heraus und zog dann sein Smartphone hervor. Er hatte er vorsichtshalber mitgenommen. Man wusste ja nie, ob man eine Panne hatte oder sonst wie telefonieren mußte. Er hockte sich hin, lockerte seine Turnschuhe und streckte die Beine gemütlich aus. „Warte, ich schau mal bei Wikipedia.“

Dominic beäugte das Wunderwerk der Technik in Pascals Hand mit ein wenig Ehrfurcht. Die Muggels waren unheimlich kreativ, wenn es darum ging, Zauberstäbe zu ersetzen und nach allem, was er gehört hatte, war es ihnen mittlerweile sogar gelungen, ganze Bibliotheken in solche kleinen Kästen zu stopfen. Er war sogar versucht, sich solch ein Ding auch mal genauer anzuschauen. Aber Wikipedia?! "Wenn mein Alter rausbekommt, dass du mich mit Wikipediawissen füttern willst, wird er dir in Zukunft jeden Umgang mit mir verbieten. Wie kannst du nur sowas furchtbar Unseriöses benutzen? Zusammengestoppelte Halbmeinungen... Und auch wenn das auch auf jedes Buch zutrifft, ist Wikipedia nicht gedruckt und deshalb böse." Er hatte nie so ganz verstanden, was es damit auf sich hatte, das Internet war ihm sogar ein wenig unheimlich. Aber als Sohn eines Muggel-Akademikers wusste er zumindest, was Wikipedia ist und hatte sich ein paar Gedanken gemacht. Er hockte sich neben Pascal und versuchte einen Blick auf das Display seines Zauberstab-Ersatzes zu werfen. Dabei musste er seinen Kopf allerdings so weit recken, dass er umfiel und sich mit einem unwilligen Knurren auf der Wiese wiederfand.

Pascal grinste und drückte blitzschnell auf die in das Smartphone intrigierte Kamera. Sicher war es Dominic peinlich, aber er sah zu goldig aus, wie er dort im Gras lag. Weiterhin schelmisch lächelnd, steckte er das Gerät weg und reichte Dominic zum Aufstehen die Hand. „Was hälst Du von Feuer machen? Ich könnte uns aus diesen Büchsen eine Suppe zaubern.“

Zaubern. Kaum war Dominic wieder auf den Beinen, wurden seine Überlegungen, wie er das oberpeinliche Bild von Pascals Handy löschen konnte, unterbrochen. Hatte er gerade zaubern gesagt? Was sollte das denn schon wieder heißen? War das eine Anspielung? Aber woher...? Er war doch vorsichtig gewesen. Er hatte nicht einmal seinen Zauberstab dabei und Spontanzauber hatte er zuletzt, als er fünf Jahre alt war. Auch sonst. Er hatte doch nie... Oder hatte er sich mal verplappert? Dominic musterte Pascal nachdenklich. Kein Anzeichen von Arglist in seinen Zügen. Manchmal war er echt paranoid und sofort fühlte er sich schuldig.
"Klar. Suppe klingt spitze. Passt zu solch einem kalten Tag wie heute." Dominic durchstöberte die Taschen. "Wir haben keine Kohle mit. Vermute ich richtig, dass ich die Buchenwälder nach brauchbaren Hölzchen und Stöckchen absuchen soll? Bloß, weil ich nicht kochen kann? Im Angesicht des Todes durch Verhungern würde ich mich sogar dafür opfern." In der Tat hatte Dominic so viel Hunger wie schon lange nicht mehr. Frische Luft, Bewegung, Gesellschaft. Das musste irgendwie kompensiert werden.

„Hey, ich komme mit. Kann doch nicht zulassen, dass Du angesichts des drohenden Hungertodes auch noch von Bären und Wölfen gefressen wirst.“ Pascal stieß sich schwungvoll vom Boden ab und stand auf. Schnell räumte er noch die Sachen ins Zelt und schloß das Farad ab, dann machten sich die beiden Jungen auf in Richtung des nahe gelegenen Wäldchens. Schon einige Zeltreihen weiter, kamen sie in lichten Baumbestand, zwischen dem nur noch wenige Wohnwagen standen. „Sag mal, was macht Dein Dad eigentlich jetzt? Weiß er, dass wir hier sind?“

"Bären und Wölfe sind hier ausgestorben. Und wenn nicht, dann werden sie ganz schnell ausgestorben sein, wenn sie auf mich als Beute angewiesen sind. Nicht nur, dass ich ungenießbar bin, es lohnt sich auf gar nicht wirklich, weil an mir nichts dran ist, das sich verspeisen ließe, außer ein paar Knochen zum Draufrumkauen." Dominic kratzte sich am Kopf und warf einen misstrauischen Blick in den Wald.
"Hier gibt es doch nicht wirklich Wölfe, oder? Ich meine, die wandern zwar wieder nach Deutschland ein, aber das heißt ja noch lange nicht, dass die hierher einwandern dürfen, so ganz ohne Asylantrag." Dominic spähte misstrauisch über den See zum anderen Ufer. Ob sich da einer versteckte? Pascal unterdessen schien keine Probleme damit zu haben, potentiell in direkter Nachbarschaft zu wilden Tieren zu leben. Vielleicht sollte er ihm anbieten, sein altes Zimmer zu beziehen, womit er gedanklich beim Thema wäre. Er dachte momentan sowieso sehr viel, aber sehr wenig zielführend. Es war schlimm, seit einiger Zeit herrschte große Unordnung in seinem Kopf. Er wusste nicht mehr seit wann oder warum, so schlimm war es schon.
"Mein Vater sitzt wahrscheinlich gerade am Schreibtisch und schreibt irgendwas über Ephesos oder so. Ich glaube, auf großer Reise ist er nicht, nein. Und ob er weiß, dass wir hier sind, weiß ich nicht. Ich habe es ihm gesagt und ihm einen Brief geschickt, wo es auch noch einmal drin steht, also wird er es wahrscheinlich nicht mehr wissen." Dominic dachte mit Grauen daran, wie er eine halbe Stunde an der Hauptpost warten musste, um eine Marke zu kaufen, damit der Brief innerhalb Marburgs verschickt werden konnte. "Aber das ist ja nicht mein Problem, oder?" Er suchte den Boden ab.

„Nein, Dein Vater war nie das Problem.“, stimmte Pascal leise zu. Er schwieg und überlies es Dominic, ob er von seinen Problemen erzählen wollte oder nicht. Zusammen schlugen sie den schmalen Pfad ein, der sie tiefer in den Buchenwald führte. Hier war es angenehm schattig und die Luft roch würzig nach Laub und Erde.

"Das meinte ich zwar weniger, aber da hast du wohl auch Recht." Dominic zuckte mit den Schultern und sammelte einige Äste auf, die so aussahen, als würden sie sich für ein Lagerfeuer eignen. Zumindest sahen sie trocken aus und vor allen Dingen nicht verfault. Nach einer Weile des schweigsamen Sammeln brach er schließlich die Stille. Bitterkeit lag in seiner Stimme.
"Ich versuche eigentlich so wenig wie möglich dran zu denken, was passiert ist, auch wenn die ganze Situation das hier wesentlich schwieriger macht als in der Schule. Aber irgendwie... Weißt du, dass ich es wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben bereue, dass ich Recht hatte mit einer Ansicht? Manchmal habe ich das Gefühl... Ich weiß nicht. Es fühlt sich einfach scheiße an. Wenn ich drüber nachdenke, stört mich die Einsicht viel mehr als dass mich keiner haben will..." Dominic zuckte mit den Schultern. "...oder fast keiner. Lucas ist sowieso der Vollpfosten schlechthin, mir erst ständig auf den Wecker zu fallen und so zu tun als sei es mehr als ein bedauerlicher Fehler, dass wir Geschwister seien." Auf seine Mutter kam er gar nicht erst zu sprechen. "Vater hat auch nicht begriffen, dass ich auch weiterhin gern in Ruhe gelassen werden würde, so obsessiv, wie er sich benimmt... Eigentlich läuft doch alles großartig falsch." Er schniefte. "Dabei habe ich zur Abwechslung mal niemandem was getan." Er setzte sich auf einen Stein. "Oder?" Er blickte haltsuchend zu Pascal, dem Menschen, der ihm Obdach und Zuspruch gegeben hatte, als es nötig war.

Pascal knuffte Dominic kurz und tröstend am Arm. Nur gerade so lang, wie es der körperscheue Junge ertragen und als Trost verstehen konnte. Dann hob er ein paar dürre, trockene Zweige auf und klaubte Tannenzapfen zusammen. „Weißt Du“, fing er nach einer Weile wieder an, „Jeder hat seine Bilder im Kopf. Und wenn diese Bilder nicht mehr stimmen, braucht man einige Zeit, um sich mit den neuen Gegebenheiten zurecht zu finden. Nicht immer weiß man sofort was zu tun ist. Manchmal handelt man falsch oder übertrieben, manchmal zu wenig.“

Als Pascal ihn knuffte, zuckte Dominic zwar nicht, wie er es sonst tat, dennoch fühlte es sich irgendwie merkwürdig an. Die Stelle wurde heiß, aber nicht so, als ob er ihn zu fest geschlagen hätte. Darüber dachte er einen Augenblick nach, kam aber zu keiner befriedigenden Erkenntnis. Dann dachte er einen Augenblick über das Gesagte nach. "Da hast du wohl recht, aber das macht es leider nicht besser." Dominic seufzte. "Genug davon. Ich glaube, wir sind weit genug weg von Marburg, dass ich es schaffe, nicht die ganze Zeit daran zu denken. Die Weihnachtsferien haben mir ehrlich gesagt fürs ganze Leben gereicht, mich im persönlichen Elend zu suhlen. In Zukunft würde ich mir das gerne mehr aussuchen können." Er klaubte das Holz, das er gesammelt hatte, zusammen. "Und jetzt habe ich ehrlich gesagt Hunger. Haben wir genug?"

„Ja, die Zukunft gehört uns. Wir können sie gestalten.“, stimmte Pascal zu und lachte Dominic zu. Er klaubte noch einige dickere Hölzer auf und nickte dann. „Ich denke auch, dass wir vorerst genug haben. Es wird zum kochen und für ein gemütliches Lagerfeuer heute Abend reichen.“ Die Äste hoch auf den Armen gestapelt, steuerte er über die schmalen Wege zurück zum Zelt. Ächtend setzte er das Holz ab. „Puh, ich sollte wohl etwas mehr Krafttrainig machen.“

"Pffff..." gab Dominic als Erwiderung dazu nur von sich. An die Annehmlichkeiten der Magie gewohnt, war es ihm mindestens genau so schwer gefallen, die Äste zu schleppen. Aber da es nicht in seinem Naturell lag, groß zu jammern, versagte er sich weiterer Kommentare bezüglich der zu tragenden Last, sondern musterte Pascal lieber. "Find ich nicht," gab er stattdessen zurück. Er hatte sich kurz vorgestellt, wie sein Kumpel wohl aussehen würde mit reichlich Krafttraining. Er hatte da Bilder gesehen, von Männern mit ausgebildeten Muskeln. Das gefiel ihm nicht. Ihm war es lieber, wenn er so blieb, wie er war. Aber er führte das nicht weiter aus. Irgendwie war es ihm unangenehm, das zu artikulieren. Stattdessen machte er sich daran, die Feuerstelle vorzubereiten. "Gehen wir morgen schwimmen?" fragte er dann unvermittelt. Der Blick auf den See vor ihnen hatte diesen Wunsch plötzlich in ihm ausgelöst und bevor er wusste, wie er auf diese Idee überhaupt gekommen war - auf Rungholt war er nur selten im Wasser - war es seinen Lippen schon entschlüpft.

„Klar gehen wir morgen schwimmen!“ Pascal blinzelte gegen das Abendlicht zu Dominic hoch, während er das Holz aufschichtete und Zeitungspapier dazwischen steckte. Die untergehende Sonne gab seiner Silhouette einen rotbräunlichen Schimmer und er versuchte sich vorzustellen, wie Dominic nur in Shots nach einigen Tagen am Edersee aussehen würde. Nicht mehr so blaß, fröhlicher und entspannter. Ohne den mürrischen Zug um den Mund, sah der Lockenkopf nämlich gar nicht so schlecht aus. Nachdem er das Feuer entzündet hatte, machte Pascal sich mit dem Dosenöffner an seinem Taschenmesser an einer Dose Tomatensuppe zu schaffen. Es ging nur mühsam voran und kurz bevor er den Deckel öffnen konnte, rutschte er ab und rammte sich den Öffner in die Hand. „Verdammt! Warum muß die Dose sich auch so wehren.“ Fluchend saugte er sich das Blut vom Daumen und kramte in der Fahradtasche. „Hast Du das Pflaster gesehen?“

Dominic saß mit angezogenen Knien am Feuer und stocherte im Feuer herum. Als Pascal fluchte, sprang er erschrocken auf und betrachtete die Szene. Ein weiterer Muggelzauberstabersatz, genau genommen ein Dosenöffner, war wohl nicht so brauchbar als Magieersatz. Doch der Gedanke wurde rasch von Sorge um Pascals verletzten Finger verdrängt. Er ging zu einer der Radtaschen. "Ich glaub, hier war es drin." Er wühlte einen Augenblick und zog ein kleines Verbandskästchen heraus. Wie viel einfacher das doch wäre, wenn er seinen Zauberstab dabei hätte. Dann wäre es ein kleiner Spruch und alles wäre vorbei. Jetzt würde der verletzte Finger tagelang schmerzen. Dominic schüttelte den Kopf, nahm die Pflasterrolle und die Schere, dann ging er zu Pascal herüber. "Da hast du dich aber auch verdammt ungeschickt angestellt," gab er altklug von sich. "Gib mal deinen Finger her." Dominic betrachtete den Schnitt und machte ein genügend großes Pflaster zurecht. Das klebte er Pascal dann auf den Finger. Da er fand, dass er wohl ein wenig grob zu ihm gewesen war, pustete er ihm über den verbundenen Finger. "Armer Kerl... Wird ganz schnell wieder gut." Dann klopfte er Pascal zögerlich auf die Schulter und sah ihn aufmunternd an. Dabei beschlich ihn ein mulmiges Gefühl und er senkte den Blick wieder. "Soll ich die Dose aufmachen?" Er hatte zwar keine Ahnung, wie dieser Dosenöffner funktionierte, aber das konnte ja wohl nicht schwieriger sein als die Verwandlung eines Igels in ein Nadelkissen, oder?

Dominics Hände fühlten sich weich und geschickt an. Pascal genoss die Berührung und lächelte leicht, als er den Atem des Jungen auf der Haut kitzeln fühlte. „Danke.“, murmelte er. Er wußte, dass Dominic sich vor körperlicher Zärtlichkeit noch scheute und doch wünschte er, dass er ihn länger berührt hätte. In seinem Blick war Begehren, doch er war sich nicht sicher, ob Dominic es wahrnahm. Also senkte er den Blick auf das Feuer und legte einen dicken Scheit nach, damit sein Starren nicht peinlich wurde. „Ich schneide dann mal die Gurke, damit wir noch ein paar Vitamine zu uns nehmen.“

"Ich glaube, in Gurke sind gar keine Vitamine, schmeckt jedenfalls immer ziemlich wässrig," erwiderte Dominic, der sich mit dem Dosenöffner abmühte. Er hatte einen Augenblick gebraucht, um den Mechanismus zu durchschauen, aber er war zuversichtlich, dass es klappen würde, also setzte er sich hin, klemmte die Dose zwischen die Beine und begann zu hebeln. "Kannst du mit deinem Finger überhaupt schnibbeln? Wenn nicht, kann ich das auch übernehmen." Eine Spur Besorgnis lag in seiner Stimme, während sein Blick die Dose fixierte und er die Unterlippe einzog. Gleich hatte er es geschafft. "Heureka!" Dominic erhob sich und hielt die nunmehr offene Dose Tomatensuppe triumphierend in die Höhe. "Wie du siehst, bin ich zumindest qualifiziert fürs Gurkenschneiden." Er goß die Suppe in den Topf, holte zwei Teller und Löffel. "Oder soll ich sonst noch was machen?" Langsam begann er sich zu entspannen von den Strapazen des Tages, die Aussicht auf ein Abendessen trug dazu wohl seinen Teil bei. Vergessen war der plötzliche Anfall seelischer Qualen im Wald. Nur das merkwürdige Gefühl, das sich auf die Magengegend auswirkte, machte ihm ein wenig Sorgen. Er wurde doch nicht etwa gerade jetzt krank? Daran wollte er lieber keinen Gedanken verschwenden.

Pascal hielt den Daumen gespreizt, während er sich bemühte die Gurke zu schälen. Es wollte nicht so recht klappen und so war er dankbar, als Dominic sich erbot auch diese Aufgabe zu übernehmen und nahm gerne an. Überhaupt gefiel ihm der Gemütszustand des Jungen jetzt besser. Dominic begann sich zu entspannen; kam aus seinem Schneckenhaus heraus. Gut so! Er mochte den klugen, ernsten Dominic. Für ihn mußte ein Mann nicht immer gute Laune haben und eitel Sonnenschein verbreiten. Doch so bitter und depressiv wie im Winter wollte er Dominic nicht wieder sehen. Nachdem die Suppe heiß geworden war, setzte er sich gemütlich neben ihn ins Gras und lächelte ihn zufrieden über den Rand seines Blechtellers an. „Gut gekocht.“ Er bröckelte ein wenig Brot in die Tomatensuppe und pustete.

Dominic versank in der gleichmütigen Schneidebewegung der Gurke und entspannte weiter. Als die Gurke in ihrer Gesamtheit in dünne, gleichmäßige Scheiben geschnitten war, sah er noch ein wenig zufriedener aus. Dominic saß jetzt im Gras bei Gurken und Tomatensuppe sowie Brot. Vielleicht nicht das feudalste Essen auf Erden und Suppe war auch nicht sein Leib- und Magengericht, aber das Selberkochen - wenn man es so nennen wollte- machte seinen Sinn. "Ich bin auch ganz begeistert von mir. Wenn kochen wirklich so einfach ist, sollte ich mir überlegen, das häufiger zu machen," meinte er mit mildem Spott.
Dennoch war sein Hunger recht schnell gestillt und nach einiger Zeit zerbröselte er eigentlich nur noch das Stück Brot, das er in der Hand hielt, in die Suppe hinein. Eigentlich hatte er immer einen guten Appetit, aber das komische Gefühl in seinem Magen hatte sich wieder gemeldet, genau dann, als Pascal und er zu essen begonnen hatten. Er stellte seinen Teller neben sich, schlang die Arme um seine Knie und legte den Kopf seitlich auf die Knie, beobachtete seine Begleitung beim Essen.

Pascal kratzte die Reste seiner Suppe zusammen. Im war nicht entgangen, dass Dominic ihn seit geraumer Zeit ansah und es freute ihn. //Kann es sein...? Die Art wie er mich ansieht...?// Teilte Dominic seine Gefühlte? Vielleicht ohne es zu wissen? Zunächst hatte Pascal ihm einfach nur helfen wollen. Doch nach und nach war mehr daraus geworden. Er hatte Seiten an Dominic erkannt, die ihm nahe gingen und er merkte, dass er ihn mehr als nur mochte. Er stellte seinen Blechteller zur Seite und lächelte sein Gegenüber an. „Das gefällt mir.“, seufzte er zufrieden. „Hier mit Dir am Feuer zu sitzen, die ganzen langen Ferien noch vor uns. Ich freue mich, dass du mitgekommen bist.“

"Es ist ja nicht so, dass du mir eine große Wahl gelassen hättest, als du meintest, wir müssten mal hinaus. Ich dachte eigentlich, du meintest die Lahnwiesen und weil ich so ein herzensguter Mensch bin, hatte ich zugestimmt, damit du mal wieder unter Deinesgleichen kommst." Die Lahnwiesen, das wusste auch Dominic, war im Sommer ein beliebter, beinahe überlaufener Treffpunkt für Studierende zum grillen, trinken, spielen und unterhalten, sehr praktisch direkt am der Mensa gegenüberliegenden Lahnufer gelegen. Er mochte den Ort nicht. Zu laut, zu viele Menschen, zu großer Gestank. "Jedenfalls konnte ja keiner damit rechnen, dass du Hunnengene in dir entdeckst und dem modernen Nomadentum fröhnst, insbesondere..." PATSCH! Dominic schlug sich auf den Oberschenkel, was das übliche laute Knallen verursachte und durch die friedliche Abendluft schnitt. "Oh, ich werde diesen Ausflug hassen. Morgen sehe ich aus wie ein Streuselkuchen vor lauter Mückenstichen. Wenn wir wieder daheim sind, werde ich vier Wochen lang das Haus nicht verlassen."