Rungholt: Das Bootshaus

Das Bootshaus liegt in der Nähe des Leuchtturms am Strand. Im Inneren sind die Jollen für die Segel-AG zu finden sowie kleine Ruderboote für die Schüler. An den Wänden liegen Paddel, Schwimmwesten, Dosen mit Öl und Teer, Segel und andere Dinge, die man in einem Bootshaus so findet. Unter dem Dach hängt ein Fischernetz, auch wenn keiner so Recht weiß warum und wozu.

Das Bootshaus hat zwei Fenster zur Insel hin. An seiner Seite verläuft ein Steg ein Stück ins Wasser hinaus und dient als Anlegestelle. Im Sommer herrscht hier reges Treiben, während in der kalten Jahreszeit die Boote abgedeckt auf besseres Wetter warten.

pp: Wege und Pfade

Schweigend gingen die beiden Jungen nebeneinander zum Bootshaus. Anjun hielt es für besser erstmal nichts zu sagen. Sonst würde der kleinere Nachtkrabs noch in Tränen ausbrechen. Wenn wirklich jemand aus seinem Haus dafür verantwortlich war, dann fand Anjun es besser es innerhalb der Nachtkrabs zu klären, obwohl er nicht recht wußte wer das machen sollte. Jörn wollte er darin jedenfalls nicht einschalten. Vorerst würde er sich daher zunächst mal anhören, was Ben getan oder auch nicht getan hatte.

Der Junge führte Ben den Weg durch den Park und die wenigen Stufen zum Steg herunter. Dort bei der Anlegestelle lag das große Holzgebäude.

Anjun öffnete die Tür zum Bootsschuppen. Jollen und Ruderboote dümpelten im Halbdunkel und zwischen den Holzplanken schillerte das Meer. Zur offene See hin wurde das Bootshaus nur im Winter geschlossen, so dass ein sonnenüberglänztes Viereck auf dem schwappendem Wasser bläulich reflektiertes Licht spendete. Es war ziemlich warm im Schuppen und roch nach Holz, Tang und Teer.

Anjun setzte sich auf ein Ruderboot, das zur Reparatur ans Ufer gezogen worden war und sah Ben an. „Nun?“

pp: Wege und Pfade

Ben war froh, dass Anjun ihn schweigend zum Bootshaus führte. Am Leuchtturm und auch am Strand war er bereits gewesen, doch das Bootshaus hatte er noch nicht gesehen. Umso mehr freute er sich, dass er jetzt auch diesen Teil von Rungholt kennen lernte. Staunend betrachtete er die vielen Jollen und Ruderboote, die es hier zu sehen gab. Im Bootshaus war es ziemlich warm, doch diese Wärme war Ben zu seinem Erstaunen ganz und gar nicht unangenehm. Normalerweise mochte er es lieber, wenn es etwas kühler war, doch hier im Bootshaus fühlte er sich wohl und geborgen, was vielleicht auch einfach an Anjuns Anwesenheit liegen könnte.

Doch Anjun ließ ihm nicht lange Zeit, sich umzuschauen. Kaum hatte er sich gesetzt, sah er Ben wieder an und fragte weiter nach. Ben seufzte leise. "Also... wo war ich stehen geblieben?" fing er an, während er grübelte, was sein letzter Satz gewesen war. "Ich war also bei den Elwetritschen angekommen," meinte er nickend, als ihm wieder eingefallen war, wie seine Geschichte weiterging. "Das Buch hatte ich natürlich mitgenommen, ich wollte ja schließlich ganz viel lernen." Ben erinnerte sich noch ganz genau, wie er die Elwetritschen beobachtet hatte - er war direkt vor der Stalltür gestanden - und dabei immer wieder in seinem Buch gelesen hatte. "Irgendwann habe ich einen Zauberspruch gefunden, mit dem man ganz viele bunte Blumen wachsen lassen kann." Ben lächelte Anjun etwas schief an. "Und weil ich dachte die Elwetritschen freuen sich vielleicht, wenn ich ihnen ein paar schöne Blumen ins Gehege pflanze, wollte ich das mal probieren." Er zuckte unsicher mit den Schultern. "Aber das hat wohl nicht so geklappt.. Blumen kamen auf jeden Fall keine dabei raus..."

„Blumen wachsen lassen.“ Anjun krauste die Stirn. „Das ist schon ein ziemlich schwerer Zauber. Ich nehme an, dass er nicht gelungen ist. Was geschah dann? Hat Dein Zauberstab eine Reaktion gezeigt oder hast Du irgend etwas anderes bemerkt?“

Ben nickte eifrig. "Blumen wachsen lassen," bestätigte er noch einmal. Doch als er hörte, dass das ein schwerer Zauber sei, war er enttäuscht aber gleichzeitig auch erleichtert. "Oh," murmelte er schnell. "Hat auch nicht geklappt," sagte er dann traurig. "Ich weiß nicht.. es hat irgendwie komisch gezischt, aber ich habe mich dann gar nicht mehr auf den Zauberstab konzentriert, sondern lieber geschaut, ob mich vielleicht jemand beobachtet hat," gab Ben nachdenklich zu. Vielleicht hätte er lieber auf seinen Zauberstab achten sollen. "Kann es sein, dass dann irgendwas mit dem Elwetritschengehege passiert ist? Ganz ausversehen?" Traurig biss er wieder auf seiner Lippe herum, die fast schon blutig gebissen war.

Anjun legte die Stirn in Falten, während er nachdachte. „Das Zischen was Du gehört hast war vermutlich das Zusammenbrechen des Sicherungszaubers. Du musst wissen, das der Käfig durch einen Zauber gesichert ist, der verhindert, dass Schüler die Tür offen stehen lassen.“, erklärte er. „Im Endeffekt kannst Du froh sein, dass sich der Zauberpatzer nur so ausgewirkt hat und lediglich die Tritschen ausgerissen sind.“

"Oh," wiederholte Ben noch einmal. "Also.. war es meine Schuld." Enttäuscht sah er zu Boden. "Was soll ich denn jetzt machen? Fliege ich deswegen von der Schule?" Traurig blickte er Anjun an. Er hoffte, dass dies nicht schon das Ende von seinem Rungholt-Aufenthalt war. Anjun hatte jedoch Recht: Es hätte noch viel schlimmer kommen können, als nur ein Ausbruch der Tritschen. Vielleicht war doch alles gar nicht so schlimm, wie der kleine Nachtkrabs jetzt vermutete. "Wirst du.. wirst du mich verraten?" fragte er ganz leise. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.

Der kleine Fünftklässler ließ den Kopf hängen, Tränen standen in seinen Augen und seine Lippe war schon ganz zerbissen vor Nervosität. Ein Gefühl von Mitleid und Verantwortung für den Kleinen machten der Wut in Anjun Platz. „Kopf hoch.“, versuchte er ihn aufzumuntern. „So schnell fliegt man nicht von der Schule. - Glaub mir. Ich hab' das bereits versucht.“ Er lachte kurz trocken auf. „Wenn Dich niemand gesehen hat, dann dürfte es schwer sein herauszufinden wer es war. Selbst wenn die Lehrer es untersuchen. Sie dürften Deine Zaubermatrix noch nicht kennen. Dazu bist Du noch nicht lange genug auf der Schule. Geschweige denn, dass Du viel gezaubert hast. Wenn ich Dich also nicht verpfeife, dann kann Dir nichts passieren. - Wisch Dir die Tränen ab und zeig niemanden, dass Du geweint hast.“

Ben schniefte und lächelte tapfer. "Dann ist ja gut. Weil ich glaub meine Mama wäre ziemlich böse, wenn ich von der Schule fliegen würde." Er holte tief Luft und wischte sich die Tränen weg. "Du sagst niemandem was? Danke! Wie soll ich dir das nur danken," kicherte er vergnügt. Im ersten Moment hatte er das Bedürfnis sich in Anjuns Arme zu werfen, doch diese Reaktion fand er dann doch etwas übertrieben. "Also meinst du, niemand kann das herausfinden?"

„Das ist unwahrscheinlich.“, sagte Anjun rau, stieß sich ruckartig vom Boot ab und stand auf. „Wenn Du dir nichts anmerken läßt, wird es niemand herausfinden. Also mach Dir keine Gedanken. Die Tritschen sind in Sicherheit. Und wenn Du wiedermal das Bedürfnis hast zaubern zu üben, dann mach es im Zauberkunderaum. Da gibt es genug wirkende Antimagiesprüche, um Katastrophen zu verhindern.“

Erleichtert atmete Ben auf. "Toll! Danke..," flüsterte er leise. Irgendwie musste er das wieder gut machen! "Ich merks mir für die Zukunft. Ich werde nie wieder alleine irgendwo üben. Und jetzt lass ich mir gaar nichts anmerken. Ich habe nie etwas getan," Ben kicherte.

„So ist gut.“, sagte Anjun und versuchte ein Grinsen. Es gelang jetzt wo er nicht mehr ganz so zornig und verletzt war. „Wir lassen uns nichts anmerken und gehen jetzt zurück in den Speisesaal. Ich jedenfalls sterbe vor Hunger.“

Ben nickte. "Genau, das machen wir. Ich habe auch ziemlich Hunger. Bin noch gar nicht dazugekommen, das leckere Essen zu probieren und Mia habe ich einfach so alleine gelassen. Das war wohl auch nicht gerade nett von mir," seufzte Ben und lächelte Anjun dann noch einmal erleichtert an.

tbc: Rungholt: Leuchtturm und Felsen (14:00-18:30 Freizeit und Zauberschachklub)

"Richtig so!" Anjun erwiderte Bens Lächeln fest. "Und wann immer in den Tagen jemand nach den entlaufenden Elwetritschen fragt, dann halte den Kopf erhoben und denke einen schönen Gedanken.“

Er legte ihm von hinten und von vorne die Hände auf die Brust und streckte seinen Rücken. „Was ist Dein schönster Gedanke? Was ist deine liebste Erinnerung?“, fragte er und ließ den Kleinen los.

Der rothaarige Junge hatte den Kopf erhoben, ließ die Augen stolz blitzen und als er weiter sprach, klang es fast, als meine er nicht nur Ben. „Laß die Leute flüstern oder tratschen, lass sie über entlaufende Elwetrischen spekulieren oder darüber dass Dir etwas Peinliches oder Demütigendes passiert ist. Du wirst sehen, wenn du mit aufrechtem Gang, breiten Schultern und furchtlosem Blick gehst, dann wird niemand vermuten, dass es Dir unangenehm ist. Und das Tolle daran ist, wenn Du die Leute, die über Dich tuscheln, austrickst, dann trickst Du Dich gleichzeitig selbst damit aus."

tbc: Langhaus/Elwetritschen: Aufenthaltsraum (14:00-18:30 Freizeit und Zauberschachklub)