Rungholt: Zaubertränke-Pavillon

Damit unachtsame Schüler beim Kochen der Tränke nicht ausversehen die ganze Schule in die Luft jagen oder in Flammen aufgehen lassen, findet sich auf Rungholt der Unterrichtssaal für das Fach Zaubertränke in einem Pavillon in der Nähe der Gewächshäuser. Der Pavillon ist rund mit einem großen Abzug in der Mitte und großen Glasfenstern. Es stehen mehrere Arbeitstische (unter welchen sich die Materialien in Schubladen befinden) mit Feuerstelle für die Schüler bereit. Ein großer Schrank mit Zutaten befindet sich an der Wand vorne beim Lehrerpult.

pp: 18:30-20:00 Uhr: Abendessen - Hauptgebäude: Eingangshalle (EG) (+Malin)

Flo war die ganze Zeit über schweigend gelaufen, bis sie am Zaubertränke-Pavillon ankamen. Was ihn hierher gezogen hatte, er konnte es selbst nicht so genau sagen, aber es erschien ihm als ein neutraler Boden.

Sie waren beim Laufen nass geworden von dem stetigen Regen, der noch immer fiel, und Flo merkte erst jetzt, dass er zitterte. Schnell hielt er die Tür des Pavillons für Malin auf und schlüpfte nach ihr hinein. Im Gewächshaus selbst war es auch nicht gerade warm, das Gewitter vom Abend hatte die Schwüle des Tages schnell herabgekühlt und so beschloss Flo, dass ein kleines Feuerchen das beste sei, zumal es durch die Gewitterwolken schon vor einer ganzen Weile dunkel geworden war.

Er zückte seinen Zauberstab, richtete ihn auf eine der Feuerstellen und murmelte: "Incendio." Als das Feuer zu prasseln begonnen hatte und Flo die Wärme in seinem Gesicht und auf seiner nassen Haut spüren konnte, wandte er sich endlich wieder Malin zu. Er hatte gehofft, die kurze Redepause zwischen ihnen hätte ihm vielleicht einiges an Bedenkzeit verschafft, aber jetzt, wo er Malin wieder ansah, war sein Kopf wie leergefegt. Er räusperte sich, öffnete den Mund... und heraus kam kein Wort.

Wie beim Hinweg zum Abendessen hatte Malin auch dieses Mal einen Wasserabweisenden Zauberspruch benutzt, so dass sie ziemlich trocken beim Zaubertränke-Pavillion angekommen war. Sie runzelte etwas die Stirn – warum Flo den Zauber wohl nicht gebraucht hatte? Sie hatte schon halb überlegt, ihm anzubieten, es für ihn zu tun, doch sie hatte sich dann doch nicht getraut. Sie wollte nichts Falsches sagen.

Ungeduldig wartete Malin, bis Flo das Feuer entzündet hatte und hoffte, dass er bald etwas sagen würde. Das Schweigen empfand sie als sehr unangenehm und als Flo schließlich kein Wort heraus brachte, wäre sie am liebsten einen ihrer Redeschwalle los geworden, nur um die Stille zu durchbrechen. Doch das war es vermutlich, was Flo so sehr auf die Nerven gegangen war heute Mittag, oder?

Also sagte sie nichts und schaute ihn mit klopfendem Herzen an. Was würde er nun sagen? Würde er sagen, dass er nicht mehr mit ihr befreundet sein möchte, weil sie ihm auf die Nerven ging? Oder ihr sagen, sie solle aufhören so viel zu labern und Gerüchte in die Welt zu setzen? Würde er dann ihr Freund bleiben? Wenn sie sich ändern würde? Aber sie redete gerne so viel ... und Gerüchte streuen war ihre Leidenschaft. Es machte einfach Spaß, sich in anderer Leute Angelegenheiten zu mischen, sie war nun mal neugierig. Sie senkte den Blick und ballte die Hände zu Fäusten. Konnte sie das denn alles aufgeben? Sie biss sich auf die Lippen und sah wieder zu Flo auf. Wenn es bedeutete, dass sie sonst seine Freundschaft verlor, schon wieder ...

„Ich ... ich kann das tun!“, platzte es unwillkürlich aus ihr heraus. „Weißt du, ich kann aufhören mit dem Gerüchtestreuen und ich ... ich kann aufhören, mich überall einzumischen und ich kann auch aufhören so viel zu reden ich ... ich kann ...“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. „Ich kann es versuchen, wirklich, ich ... ich versuche es, okay? Ich kann mich ändern, nur ...“ Sie spürte wie ihr Herz sich verkrampfte und wie einige Tränen ungehemmt über ihre Wangen kullerten. „Nur, bitte ... bitte ignoriere mich nicht ... halte dich nicht schon wieder ... von mir fern!“

Nach dem Abendessen verschwand Elias kurz in seinem Zimmer um sich umzusiehen. Es regnete nicht mehr so stark, so entschloss der junge Mann noch eine Runde Joggen zu gehen. Unterwegs konnte er Malin nicht finden, ein 6. Klässler jedoch verwies ihn in Richtung Gewächshäuser. Stirnrunzelnd steckte er sich seine Lieblingsmuggelerrungenschaft in das Ohr – ein uralter MP3-Player der noch mit Batterien betrieben wird. Er liebte dieses Teil, damit machte es sogar Spaß alleine zu laufen. Während die ersten Klänge aus Wolfgang Amadeus Mozart ‚Die Zauberflöte‘. „Die Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, flüsterte er und grinste als er die ersten Schritte ohne Schutzzauber in dem Regen wagte. Er liebte die Arie der Königin der Nacht. Das Gewächshaus ward schnell erreicht, doch er konnte beim besten Willen niemanden erkennen, erst nach genauerem Suchen entdeckte er die Umrisse Malins beim Pavillon. Zusammen mit Flo. Er blieb kurz stehen und seufzte, irgendwie passte ihm das nicht recht was die Beiden da auch immer machten, hören konnte er sowieso nichts, dazu stand er zu weit weg.. Aber es wäre nicht seine Art sich einzumischen, deswegen drehte er sich um und lief Richtung Strand, er hatte noch mindestens zwei Stunden Zeit sich die Seele aus dem Leib zu rennen, die würde er auch voll ausnutzen.

Es war die peinlichste Stille, die Flo jemals ertragen hatte müssen. Er hätte sich ohrfeigen können dafür, dass er das alles hier nicht genauer durchdacht hatte und keine Ahnung hatte, was er Malin sagen sollte.

Er selbst wurde immer kribbeliger, als die Leere in seinem Kopf sich auch nach langer Stille nicht mit sinnvollen Gedanken füllte, und er spürte, wie auch Malin unruhiger wurde, mit jedem Augenblick des Schweigens mehr.

Und dann platzte plötzlich dieser Schwall von Worten aus ihr heraus, der Flo beinahe das Herz brach - dass sie sich ändern wollte, dass sie aufhören wollte, sie selbst zu sein für ihn. Und plötzlich explodierten tausend Gedanken in Flos Kopf und füllten die bis eben dagewesene Leere mit einem lauten Chaos. Und als Malin dann auch noch dicke Tränen über die Wangen kullerten, vergaß Flo sich vollkommen.

Er dachte nicht nach, er zögerte nicht - er ging einfach die letzten paar Schritte auf Malin zu und nahm sie fest in den Arm. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er stammelte: "Nein nein nein, das ist doch alles Unsinn, Lille, ich bin ein Idiot und war es im ganzen letzten Jahr, ein richtiger Mistkerl, und du bist gut so wie du bist, du bist perfekt, und du solltest dich niemals, nie ändern!" Sein Gesicht wurde heiß und er vergrub es in Malins Schulter und ja, vielleicht waren das in seinen Augen auch ein paar Tränen, denn: Hatte sie gerade wirklich alle diese Sachen versprochen, nur damit er wieder in ihrem Leben sein wollte? Er fühlte sich so elend und gleichzeitig so glücklich darüber, dass Malin so etwas tun wollte für ihn...

Einige kurze Momente blieb er so stehen. Eng an sie gelehnt, einen Arm um ihre Taille, der andere an ihrem Nacken mit einer beruhigend streichelnden Hand in ihren Haaren. So eine Nähe, wann hatte er das zum letzten Mal gehabt? Es schien ihm ewig her...

Doch dann wurde Flo plötzlich klar, was er da gerade tat, und ruckartig ließ er los und stolperte zurück. Er konnte nicht - durfte er überhaupt - was, wenn sie das gar nicht gewollt hatte? Er starrte überall hin, Löcher in die Luft und in seine Zehenspitzen, nur um nicht Malin ansehen zu müssen, als er leise nuschelte: "Entschuldigung." Es war eine Entschuldigung für die plötzlich aufgedrängte Umarmung, für den dummen Spruch beim Kuchen essen, für das ganze letzte Jahr.. für alles zusammen. Aber er hatte so leise gesprochen, hatte sie ihn überhaupt gehört?

Malin blieb die Luft weg, als sie so plötzlich und unerwartet von ihm umarmt wurde. Sie schlang die Arme um ihn und vergrub das Gesicht in seiner Brust. Sie musste noch heftiger weinen, als sie seine Worte hörte, doch dazwischen konnte man auch einige Lacher vernehmen, denn das primäre Gefühl war ... Glück. Sie würde ihn nicht verlieren. Nicht noch einmal. Er würde sie nicht noch einmal ignorieren. Er würde wieder ihr Freund sein. Es würde sein wie früher.

Eben so plötzlich wie die Umarmung gekommen war, verschwand sie wieder. Irgendwie war es wie ein Verlust und die Temperatur schien gleich um einige Grade zu sinken. Sie hörte die leise Entschuldigung und wusste nicht recht, wofür sie genau war. Und sie wusste noch immer nicht, warum er sich das letzte Jahr so seltsam verhalten hatte oder warum er ihr diese unschönen Sachen gesagt hatte heute. Aber es war ihr im Moment auch völlig egal – wenn er nur wieder ihr Freund wäre und sie zusammen Spaß haben konnten.

Mit dem Ärmel ihrer Jacke wischte sich Malin die Tränen weg. Sie schaute zu Flo auf, der ihrem Blick auswich und plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten und musste lachen. Es war, als wenn die Freude in ihr einfach nicht anders konnte, als sich irgendwie Ausdruck zu verleihen. In Form eines glockenhellen, glücklichen Lachens. Als sie sich wieder gefasst hatte schaute sie ihn wieder an und lächelte sanft.

„Schon gut“, sagte sie schlicht. „Es ist ... jetzt alles gut.“

Noch suchte Flo nach weiteren Worten und Erklärungen, als Malin plötzlich lauthals zu lachen begann. Es war ein befreites Lachen, wunderschön und so sehr Malin, dass es Flo ganz warm ums Herz wurde. Wann hatte dieses Lachen zuletzt ihm gegolten? Es war viel zu lange her. Es war so dumm von ihm gewesen, sie so lange von sich fernzuhalten; aber daran wollte er jetzt nicht denken, es würde nur alles verderben. Er hatte noch genug Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

Jetzt versuchte er erst einmal testweise ein breites, freundliches Grinsen, so aufrichtig wie es schon lange keines mehr gewesen war, und doch sehr unsicher. Noch hing hier alles an einem seidenen Faden und das wusste er. Nur keine voreiligen und unüberlegten Dinge tun jetzt. Er sah sie jetzt an, ihr direkt in die Augen.

//„Schon gut. Es ist ... jetzt alles gut.“//

"Okay...", erwiderte er sanft. "Okay, aber... ich werd dir das alles noch erklären, Lille, ich versprechs dir. Warum ich... na ja, alles eben. Nicht jetzt, das ist gerade alles noch viel zu viel. Aber vielleicht... wenn du ein bisschen Geduld mit mir haben kannst... ich versprechs."

Sein Blut kochte in seinen Adern, noch immer tobte alles in seinem Inneren. Aber nur ein Blick auf Malins Lächeln ließ ihn ruhiger werden. Nur ein Blick und er konnte hoffen, dass vielleicht wirklich alles wieder gut werden würde.

Endlich lächelte er. Endlich schaute er ihr in die Augen. Endlich.

// "Okay... Okay, aber... ich werd dir das alles noch erklären, Lille, ich versprechs dir. Warum ich... na ja, alles eben. Nicht jetzt, das ist gerade alles noch viel zu viel. Aber vielleicht... wenn du ein bisschen Geduld mit mir haben kannst... ich versprechs."//

Malin nickte.
„Ich kann warten“, antwortete sie. „Ich rede viel, aber ich kann auch gut zuhören. Also wenn dich etwas belastet ... wenn du Sorgen hast ... dann kannst du jederzeit zu mir kommen.“ Sie schaute ihm einen Moment ernst in die Augen, dann lächelte sie wieder.

„Also, lass uns zum Langhaus gehen, ja?“, fuhr sie in nun unbekümmertem Plapperton fort. „Ich hab Elias gesagt, dass wir noch was machen heute. Vielleicht eine Runde Zauberschnippschnapp? Oh, und ich muss dir von Elias’ Schwester erzählen! Das glaubst du gar nicht, die ist heute zum ersten Mal auf dem Besen gewesen und sie war ja so genial! Ich hoffe ich kann sie ins Team bringen, haha! Und Lara muss sich dann echt warm anziehen!“

Flo atmete erleichtert auf, als Malin von diesem ernsten Ton in ihren lockeren Plauderton wechselte. So nah er sich ihr auch in diesen Momenten gefühlt hatte, die Anspannung hatte schwer auf ihm gelastet und er hatte sich selbst nicht mehr zugetraut, noch was zu sagen - es wäre bestimmt nur wieder ein Schlamassel daraus entstanden.

Wie sie so von Zauberschnippschnapp erzählte und wie selbstverständlich von "wir" sprach? Meinte sie damit auch Flo? Er war sich nicht sicher, aber er beschloss, erst einmal an ihrer Seite zu bleiben und sich nicht mehr über alles den Kopf zu zerbrechen. Das würde er später von selbst ohnehin wieder tun.

"Also gut, dann lass uns zum Langhaus gehen!", lächelte Flo dem Mädchen zaghaft zu und löschte das Feuer.

tbc:  Langhaus: Wolpertinger - Aufenthaltsraum (+Malin)