Bogenfleet: Zum Einhorn (Apotheke)

Eine kleine aber feine Apotheke. Hier steht Elladora Frauenlob hinter Kessel und Ladentheke. In den Regalen stehen Gläser und Flaschen mit allen möglichen Tinkturen und Zutaten von getrocknetem Froschaugenpulver über Baumschlangenhaut bis zu Fledermausextrakt.

pp: (+ Amabella)

"Deine Mutter verbietet Dir, Süßigkeiten mit nach Rungholt zu bringen?", wollte Simon wissen, während sie das Fleet hinunter liefen. "Das ist hart. Meine Mutter liebt Süßigkeiten und wenn wir nachher bei Gnomheinrich vorbei gehen, werde ich ihr am Besten auch ein paar Erdbeer-Vanille-Karamell mitbringen." Sie betraten die Apotheke und fanden sich am Ende einer Warteschlange wieder. Anscheinend waren sie nicht die einzigen, die auf die Idee gekommen waren, ihre Zaubertrank-Zutaten zu kaufen. "Ich habe einmal versucht, die Karamell zu Hause selbst herzustellen", fuhr Simon in der Unterhaltung fort. "Allerdins sind sie ein wenig verkohlt und schmeckten eher wie eine Mischung aus Himbeer-Shampoo und Holzkohle."

Amabella sah ihn schmunzelnd an. Es war wirklich nett mit Simon im Fleet entlang zu laufen. "Oh nein, verbieten tut sie es nicht direkt, aber das meiste andere, was ich für das neue Schuljahr brauche; von Büchern bis Robe bekommen wir bei uns auch in Dortmund, daher hat meine Mutter das schon gekauft. Aber sie würde halt keine Schokolade oder so was kaufen. Sie ist sehr streng auf ihre Figur bedacht." Und zog Amabella da immer mit hinein, obwohl das Tanzen und andere Aktivitäten eigentlich keine Kontrolle ihres Gewichtes nötig machte.

In der Apotheke waren sehr viele Leute und Amabella stand dicht an Simon gedrängt. "Oh du kochst? Ich hab mal einen Kuchen gebacken. Für meinen Vater... das ist leider auch nicht so ganz gelungen..." Man hätte auch sagen können: ein Stück Kohle schmeckt besser. "Vielleicht können wir ja auf Rungholt welche zusammen versuchen. Da würde sich deine Mutter sicher freuen, vorrausgesetzt sie schmecken."

Ein anderer Junge hätte es vielleicht merkwürdig gefunden, von einem Mädchen angeboten bekommen, zusammen mal was zu backen oder kochen. Aber Simon war unter Frauen groß geworden und fand es daher normal, auch in der Küche zu arbeiten. Seine drei Damen gerieten dann immer in Entzückung und konnten ihm kaum etwas abschlagen. Wenn er gewollt hätte, hätte er dann vielleicht sogar einen zahmen Lindwurm aufziehen dürfen. Wobei Drachen andererseits bei seiner Mutter und seiner Großmutter ein kleines Tabuthema waren. Immerhin waren die Drachen und die Drachenpocken Schuld am Tod von Simons Vater und an seiner eigenen schweren Erkrankung.

"Aber einen Kuchen auf Rungholt zu backen, um ihn nach Hause zu schicken... ich weiß nicht", meinte er. "Aber die anderen im Langhaus freuen sich sicher über einen Kuchen. Leider haben wir ja keinen Zutritt zur Küche im Haupthaus." Die Heinzel waren da sehr streng. "Aber ich wollte mich da schon reinschleichen, seit ich nach Rungholt gekommen bin." Das war in der siebten Klasse gewesen. Die Jahre zuvor hatte Simon aufgrund seiner Erkrankung zu Hause Unterricht bekommen. Nach Rungholt gehen zu dürfen, war für ihn ein großes Abenteuer gewesen. Und das war auch nach all den Schuljahren nicht abgeklungen.

"Aber die Heinzel haben ihre Küche gut geschützt. Das ist nicht so einfach." Er versah Amabella mit einem kurzen Seitenblick und grinste. "Aber ich mag Herausforderungen." Er stellte sich kurz vor wie Amabella in schwarzer Tarnkleidung, einen Korb mit Zutaten unter dem Arm mitten in der Nacht auf ihn am Haupthaus wartete, damit sie beide in die Heinzelküche einbrechen würden. Die Vorstellung war so amüsant, das Simon sie am liebsten sofort in die Tat umgesetzt hätte. Die beiden Flüche an den Türschlössern, würden sie schon irgendwie umgehen können. Immerhin waren sie jetzt schon Zehntklässler und hatten inzwischen ihren ersten Schulabschluss geschafft.

Amabella sah Simon schmunzelnd von der Seite an. Sie glaubte, dass dies die längste Unterhaltung war, die die beiden außerhalb des Unterrichts je zusammen hatten, seit dem Simon in der siebten Klasse hinzustieß. Und sie fand, dass sie es wirklich genoss sich mit ihm zu unterhalten, und wenn es sich nur um Kuchenbacken handelte.

"Zwischen 12 und 4 Uhr ist die Kücher nachts auch nicht besetzt, nur abgeschlossen. Allerdings mit Heinzelmagie, also fällt die Tür aus. Gibt es vielleicht Fenster? Oder sowas wie einen Kartoffelschacht oder Essensaufzug?" Sie dachte angestrengt nach, so eine Unternehmung wäre sicherlich sehr lustig und sie würde noch mehr Zeit mit Simon verbringen können.

Langsam wurde die Schlange vor ihnen auch schon kürzer und einige Leute drängten von vorne zum Ausgang hin und Amabella wurde unsanft an Simon gedrückt. "Sorry!" murmelte sie verlegen in Simons Richtung. Sie hatte dabei keinen Augenkontakt und auch ihr Gesicht war rot angelaufen. Vor allem der kleine Elektroschock bei der Berührung hatte sie etwas verstört.

Langsam rückten sie weiter nach vorne. Hinter ihnen hatten sich zwei resolute Damen angestellt, anscheinend eine Mutter eines neuen Schülers und deren Patentante. Aber die Apotheke begann sich dennoch langsam zu leeren. Frau Frauenlob hatte ihren jungen Auszubildenden nach Vorne geholt, so dass sich die Schlange aufteilte und es schneller ging. Schülersets konnte man sicher auch verkaufen, wenn man noch kein vollausgebildeter Apotheker war.

Ein korpulenter Mann mit einem ebenso wenig schlanken Mädchen in Simon und Amabellas Alter drängten gerade zurück zur Tür und schoben Amabella gegen Simon, der nicht schnell genug einen Schritt zur Seite gemacht hatte. "Kein Problem", sagte er automagisch, als sich Amabella entschuldigte. So schnell und unerwartet, wie sie sich berührt hatten, standen sie bereits wieder mit einem halben Arm Abstand nebeneinander wie zuvor.

Amabellas Gesicht hatte sich gerötet, was vor allem im Vergleich zu ihrer Haarfarbe auffiel, der nun geringer geworden war. Anscheinend war es ihr unangenehm gewesen, Simon so unsanft angerempelt zu haben. Oder es lag an der Wärme in der gut gefüllten Apotheke. Simon hatte vorher nicht so sehr auf Amabellas Gesichtsfarbe geachtet. "Nicht so schlimm", wiederholte er. "Es ist aber auch wirklich voll. Vielleicht hätten wir doch erst die Schreibsachen kaufen sollen. Auch wenn es dort vermutlich nicht leerer ist. Dass alle Leute immer sofort losstürmen müssen, sobald sie ihre Einkaufslisten zugeschickt bekommen."

Ein Hauch von Selbstironie lag dabei in Simons Worten. Immerhin gehörten auch sie beide zu diesen Leuten. Und ehrlich gesagt war Simon gerade deswegen heute ins Bogenfleet gekommen, weil eben alle dort sein würden und man Freunde und Bekannte treffen konnte.

[OOC: Das mit den Heinzeln greifen wir später noch mal auf. Das Schuljahr ist immerhin noch länger, ^^.]

Amabella nickte und kämpfte hart darum wieder eine normale Gesichtsfarbe zu bekommen. Lag es an ihr, oder war es wirklich warm hier drin. Und eng... Zum Glück waren sie endlich dran. Sie kaufte ihr Zaubertrankpack für den normalen Unterricht und zusätzlich noch etwas für die AG experimentelle Zaubertränke. Sie wollte nämlich dieses Jahr einen Trank gegen wunde Füße nach dem Tanzen erfinden. Da Balett bei den Zauberern nicht so bekannt war, gab es bisher nichts vergleichbares. Anschließend wand sie sich wieder dem Ausgang zu und wartete auf Simon, dass auch er seinen DEinkauf machte.

Als er wieder zu ihr kam, sagte sie: "Ja irgendwie kaufen immer alle gleichzeitig ein, obwohl man ja eigentich schon vorher weiß, ob man neue Kleidung oder neues Pergament braucht. Andererseit trifft man hier ja auch immer Hinz und Kunz. So schlimm ist es also gar nicht." Sie grinste ihn an. "Wollen wir jetzt in die Pergamentrolle gehen?"

Simon kaufte das nötige zusätzliche Tränke-Set für die zehnte Klasse und ließ sich dann von Frau Frauenlob ein paar ausgefallene neue Zutaten zeigen. Er entschied sich für eine Tüte geriebene Eierschalen des Kleinen Gletscherdrachen. Die Art war vom Aussterben bedroht, aber die Schalen stammten, wie die Apothekerin erklärte von bereits geschlüpften Eiern und waren daher mit dem Prädikat 'Zertifiziertes Produkt' versehen. Muggel hätten vielleicht von 'Nachhaltig' oder 'Ökologisch' gesprochen. Das Wort war hier unbekannt, aber auch Zauberer hatten ein Interesse daran, ihre Umwelt zu erhalten - vor allem, weil es von allem Magischen nur noch so wenig gab.

Amabella hatte etwas Abseits auf Simon gewartet und sie begaben sich nun zum Ausgang. "Ja, gehen wir als nächstes die Schreibsachen kaufen", stimmte er ihr zu. Er brauchte zwar nichts, aber das hieß nicht, dass er nichts finden würde.

tbc: Bogenfleet: Die Pergamentrolle (+ Amabella)