Abendliche Flugmanöver

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Timon bis auf die Haut durchnässt war. Die Haare klebten ihm im Gesicht, und wieder einmal war er froh darüber, dass er seine Brille nur im Unterricht aufsetzen musste. Die würde ihm jetzt nur unnötig die Sicht verschlechtern.

"Ich kann bei eurem nächsten Treffen ja mal vorbeischauen", willigte er ein, obwohl er immer noch nicht ganz vom Sinn der Veranstaltung überzeugt war. Die Idee, Pegasuspferde nach Rungholt zu bringen, fand er an sich nicht schlecht, doch er sah auch eine Menge Hindernisse und konnte sich nicht recht vorstellen, wie vier ältere Schüler und ein Haufen Fünft- und Sechstklässler diese bewältigen sollten. "Habt ihr schon feste Pläne? Wann trefft ihr euch wieder? Und habt ihr einen Lehrer mit im Boot?" Ein Lehrer auf ihrer Seite würde bestimmt zum Erfolg des Vorhabens beitragen können.

Mittlerweile hatten die beiden Jungen den Strand erreicht. Der Wind hatte das Meer aufgewühlt, hohe Wellen brandeten an den Strand. Timon grinste breit, flog einen Looping um Anjun herum und steuerte seinen Besen zielsicher im Sturzflug zwischen die Wogen.

Ein listiges kleines Lächeln, kräuselte Anjuns Lippen, als seinen Zauberstab zog und sich hinter Timon herabsacken ließ. Als der andere Junge zwischen die Wellen tauchte, begann der junge Baccaracus Formeln zu murmeln und auf einmal türmten sich die Wogen wie Wände vor dem Elwetrischen auf. Anjun ließ die Wasserwand zusammenbrechen, ehe Timon in sie eintauchen mußte und stieß zu ihm herab.

"Bist Du gut in Elementazaubern? Falls ja, hast Du Lust zu einer Jagt durch Wind und Wellen? Du zählst bis dreißig und ich fliege los. Dann versuchst Du mich zu fangen, wobei du mich mit Wasserwänden und Windhosen aufhalten darfst. Ich darf mich mit den gleichen elementaren Zaubern wehren, um dich auf Abstand zu halten. Dabei dürfen wir nicht höher als zehn Meter über dem Wasser fliegen, damit uns im schlimmsten Falle nichts passiert."

Instinktiv bremste Timon seinen Besen stark ab, als sich plötzlich unerwarteterweise eine Wasserwand vor ihm aufbaute, aber genauso schnell wieder verschwand, bevor sie ihm gefährlich werden konnte. Natürlich ahnte der Junge sofort, wer für das Autauchen dieser Wellenfront verantwortlich war und drehte sich zu Anjun um, der wie zur Bestätigung ein kleines Lächeln aufgesetzt hatte. Timon grinste anerkennend zurück. Dieser Baccaracus war wirklich immer für eine Überraschung zu haben. Erst die Turbo-Tinktur und jetzt Wellenberge.

"Elementarzauber? Nicht gerade mein Spezialgebiet, da hast du sicher mehr Erfahrung", erwiderte er. "Aber versuchen kann ichs trotzdem", auffordernd zog er die Augenbrauen hoch und hob den Zauberstab. "Eins...zwei....drei..."

"Eins...zwei....drei..."

Anjun grinste, als Timon auf seinen Vorschlag einging, packte seinen Zauberstab fester und gab Gas. Sich flach auf den Besen legend, um dem von Wind gepeitschten Regen so wenig Angriffsfläche wie möglich zu geben, flog er knapp über den Wasserfläche. Die grauen Wogen unter ihm schwappten und die spritzende Gischt vermischte sich mit dem stetig fallenden Regen, der ihm über das Gesicht lief. Er hatte nur knapp 30 Sekunden. In dieser Zeit wollte er so viel Luft wie möglich zwischen sich und Timon bringen.

"...28...29...30!", zählte Timon und beschleunigte sofort, um Anjun einzuholen. Der hatte mittlerweile einen beträchtlichen Abstand zwischen sich selbst und Timon gebracht. Der Elwetritsche schwang den Zauberstab und ließ wie zuvor Anjun vor ihm eine Wasserwand vor dem Nachtkrab erscheinen, die diesen in ein Ausweichmanöver zwingen musste, was Timon die Gelegenheit geben sollte, ihn einzuholen.

Anjun riß seinen Zauberstab hoch und schrie eine Formel, als jäh vor ihm eine graublau wabernde Wasserwand in den Himmel schoß. Dennoch mußte er abbremsen, wollte er nicht direkt durch sie hindurch fliegen. Für einen raschen Schlenker war sie zu breit. Timon hatte ganze Arbeit geleistet.

Die Wasserwand kollabierte und Anjun beschleunigte seinen Besen wieder. Dennoch hatte der Elwetritsche aufgeholt und er mußte sich etwas einfallen lassen, um ihm die Verfolgung schwer zu machen. Rasch ließ er eine Welle wie einen Tentakel nach Timon schlagen und wandte sich dann wieder um, damit er schnell Abstand gewann.