Rungholt: Der Besenschuppen

Der Besenschuppen steht neben dem Quidditchfeld und enthält alles, was man zum Fliegen so braucht, vor allem natürlich Besen. Auf Rungholt gibt es Schulbesen und Lagerfächer für die privaten Rennbesen der Schüler. In einer Truhe findet sich Putzzeug für alle und an der Wand darüber hängen die 10 goldenen Besenputzregeln. Viele Schüler bringen aber ihre eigenen Polituren und Wachse mit.

Gegenüber den Besenlagerfächern sind vergitterte Boxen, in welchen die Quidditchbälle liegen. Einen Schlüssel dafür hat der jeweilige Teamchef der Quidditchteams, sowie natürlich Magister Greifenklau. Der goldene Schnatz wird allerdings von ihr privat verwahrt. Ein Schnatz ist einfach zu teuer, um damit täglich zu spielen.

pp: Quidditchfeld

Der Lärm des Spiels und die Anfeuerungen einiger Zuschauer auf der Tribüne waren im Besenschuppen nur gedämpft zu hören. Eustach griff nach einer Dose mit Polierfett und begann mechanisch damit den Besen einzufetten. Er hatte unter der Partie sehr gelitten und Eustach wollte keinen Ärger mit Magister Greifenklau. Während er den Besen auf Hochglanz brachte - soweit man das von einem Schulbesen sagen konnte - beruhigte sich sein noch aufgeregt klopfendes Herz. Dafür begannen ihm verschiedene Körperteile weh zu tun. In der Aufregung hatte er den Schmerz einfach nicht wahrgenommen. Er ging aber nicht davon aus, dass er sich ernsthaft etwas getan hatte und versuchte den Schmerz einfach zu ignorieren. Es gab Schlimmeres im Leben.

pp: Quidditchfeld

Den Besen in der ein Hand haltend, zog der junge Baccaracus mit der anderen Hand seinen Zauberstab aus Ebereschenholz. Alles tat ihm weh. Er mußte dutzende Quetschungen und Abschürfungen haben. Doch jetzt, da alle anderen Schüler gegangen waren und der Besenschuppen vermutlich leer war, konnte er sich mit einem guten Episkey der Behandlung seiner Blessuren und danach seinem Besen widmen. Er trat ins Halbdunkel und atmete den vertrauten Geruch von Harzen und Polituren ein, während er seinen Zauberstab hob, um die blutende und nässende Stelle an seinem Arm zu schließen.

Eustach hatte den Besen soweit fertig poliert. Ein paar Schüler waren gekommen und hatten ihre Besen gebracht, doch da viele ihre eigenen Besen besaßen, hatte sich kaum jemand viel Zeit zum Polieren genommen. So war er immer noch im Schuppen, als Anjun kam. Eustach wusste, dass man geblendet war, wenn man aus dem Sonnenlicht in das Halbdunkel des Schuppens trat. Er sah aber auch, dass Anjun mit gehobenem Zauberstab hereinkam.

Sicher...der ältere Schüler, dem er soeben den Posten als Sucher streitig gemacht hatte, hatte gesehen, dass er hierher gekommen war. Vermutlich hatte er gewartet, bis die anderen gegangen waren und wollte Eustach jetzt an den Kragen. Der kleine Nachtkrab verhielt sich still und wagte kaum zu atmen. Aber wenn sich Anjuns Augen an das Dämmerlicht gewöhnt haben würden, würde er ihn sehen und dann würde Eustach erfahren, was Anjun alles mit einem Zauberstab anstellen konnte. Eustach entschied alles auf eine Karte zu setzen und rannte auf Anjun zur, um an ihm vorbei einen Ausfall zur Tür zu wagen. Vielleicht war er schnell genug...

Im Besenschuppen war es still und dunkel. Anjun war froh, dass die anderen ihre Fluggeräte so schnell wieder zurück gebracht hatten. So hatte er jetzt seine Ruhe. Als der Aristokrat der er war zog er es vor nicht mitten im lauten Getümmel der Masse zu stecken. Das galt um so mehr, wenn er seine Wunden behandeln mußte. Sanft berührte er seinen blutenden Arm mit der Spitze seines Zauberstabes und wiegte sich dabei leise vor sich her summend hin und her. Vielleicht war es nur ein Aberglaube seiner Familie, möglicherweise gab es aber auch einen realen Hintergrund. Jedenfalls glaubte der Junge, dass ein gesungener Heilungszauber wirksamer war als ein gesprochener. Allerdings hütete er sich etwas anderes als einen gesprochenen Episkey einzusetzen, wenn andere in der Nähe waren.

Seine Wunden schlossen sich und das dumpfe Pochen an seinem Rücken lies nach. Anjun entspannte sich, als plötzlich aus dem Dunkel etwas auf ihn zuschoss. Aus dem Reflex heraus hob er den Zauberstab, um einen Abwehrzauber zu sprechen. Jasinai Rottmeisters unnachgiebiger Drill zeigte Wirkung. Aber es war nur Eustach. Er ließ die Hand wieder sinken, als der Kleine wie von Furien gehetzt an ihm vorbei stürmt.

"Hey Eustach!", rief er ihm hinterher und folgte ihm nach draußen in das gleißende Sonnenlicht. Er hatte angenommen, dass der andere schon längst bei Schwester Hindendrupp war, aber nun, da sie sich direkt begegneten, wollte er ihm auch gratulieren. Es mochte den jungen Baccaracus wurmen, dass er unterlegen war, aber er vermochte gute Leistungen bei anderen anzuerkennen. „Warte doch mal!“

Eustach hatte es praktisch schon geschafft und war im Freien. Dass Anjun ihm folgte, konnte er erst erkennen, als dieser ihn anrief. Natürlich hatte Eustach das irgendwie erwartet, allerdings nicht die Aufforderung, stehen zu bleiben. Er war sich sicher, dass es für ihn sehr schmerzhaft werden würde, würde er genau das tun, dennoch tat er es.

Am Quidditchfeld waren noch ein paar Mädchen unterwegs, vielleicht zum Strand - aber von anderen erwartete Eustach eigentlich keine Hilfe. Er hätte keinem anderen geholfen, wenn er oder sie mit Magie geschlagen werden würde. Aber er war sich auf einmal auch sehr sicher, dass Anjun nichts Nettes tun würde, wenn er ihm jetzt entwichen würde. Vielleicht konnte er es schnell hinter sich bringen. Vielleicht wäre das am besten. Eustach blieb also stehen, wagte aber nicht sich umzudrehen.

Anjun schloss zu Eustach auf, der widerwillig stehengeblieben war. Seine zusammengesunkene Haltung wunderte ihn. Konnte dieser kleine Kerl mit dem eingezogenen Kopf und den hängenden Schultern tatsächlich der tollkühne Scheißkerl sein, der ihm gerade den goldenen Schnatz im Sprung vor der Nase weggeschnappt hatte? Der Junge wirkte nicht wie jemand, der gerade die begehrteste Position im ganzen Spiel gewonnen hatte. Und es war kaum zu glauben, dass dieser schmächtige Knabe ein Salamander sein sollte. Jedenfalls wenn man ihn mit der Statue von Eustachius I. Salamander im Kristallgarten des Zauberschlosses verglich.

Für einen Augenblick musterte er den jüngeren Nachtkrab beinahe erstaunt. Das Ergebniss erschien ihm surrealer denn je. Dann schluckte er seinen Stolz herunter und streckte die Hand aus. "Klasse Leisung so viel Speed aus einem Schulbesen herauszuholen. Meinen Glückwunsch!"

Eustach starrte einen Moment wie hypnotisiert auf die ausgestreckte Hand Anjuns. Er wäre nie - und zwar wirklich nie - auf den Gedanken gekommen, jemandem zu gratulieren, der etwas bekommen hatte, was er hatte haben wollen. Entsprechend konnte er sich nicht vorstellen, was der andere Junge wollte. War das eine Falle? Er sah sich kurz um. Die anderen waren noch immer da. Vielleicht würde es Anjun nicht wagen, ihm etwas zu tun, wenn so viele andere herumstanden - selbst wenn sie ihm kaum helfen würden.

Zögerlich nahm er die Hand, doch sein Händedruck war erstaunlich fest, vor allem wenn man seine Statur bedachte. "Hm", brachte er hervor, sich bewusst, dass er irgendetwas sagen musste. "Danke." Und dann überlegte er, ob es Anjun besänftigen würde, wenn er etwas sagte, was seine eigene Leistung schmälerte. "War nur Glück", brummelte er.

Die Verlegenheit des Kleinen heiterte Anjun weiter auf und er grinste, als er den festen Händedruck erwiderte. "Du hattest Glück, dass ich Dich aufgefangen habe, sonst hättest du dir alle Knochen gebrochen. Man, du bist der verflucht tollkühnste Scheißkerl, den ich gesehen habe."

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"Ich...tut mir leid", entschuldigte sich Eustach eilig, in der Hoffnung, dass Anjun sich dadurch versöhnlicher zeigen würde. Er hatte natürlich Recht. Eustach hatte Glück gehabt, dass Anjun ihn gefangen hatte. Hatte er darauf gehofft? Eigentlich doch wohl kaum, oder? Sprang man jemandem auf den Besen, von dem man erwartete, dass er einen beständigt mit irgendwelchen Flüchen zu schlagen versuchte? Eustachs eigene Gedanken brachten ihn durcheinander.

Der Junge vor ihm sah immer noch blaß und verängstigt aus. Ein nachträglicher Schock, vermutete Anjun, dem nicht in den Sinn kam, dass Eustach vor ihm Angst haben könnte. "Ist ja noch mal gut gegangen.Und die paar Kratzer kriegen wir auch schnell wieder hin.“, versuchte er ihn darum aufzumuntern. „Mach das nur nie wieder. Nicht dass Du dir noch den Hals brichst. Das ist das alles nicht wert. - Aber dafür, dass du nur einen Schulbesen geflogen bist, warst du echt schnell.", der junge Baccaracus grinste. "Und die anderen Teams schlagen wir dann auch ohne solche Stunts. Wir müssen doch den Titel verteidigen." Er sah den anderen an und bemerkte, wie zerschunden Eustach noch immer aussah. "Warst du noch gar nicht bei Schwester Hindendrupp?"

"N-nein, erst musste ich den Besen polieren", brachte Eustach hervor. Langsam begann er zu realisieren, dass Anjun ihm im Augenblick wirklich nichts Böses wollte. Ob es damit zusammenhing, dass sie im selben Team waren? In gewisser Weise wäre es doch nicht gut, wenn dem neuen Sucher etwas passieren würde, oder? Außer Anjun wollte auf diese Weise den Posten bekommen. Aber ging das überhaupt? Er hatte im letzten Jahr auch Treiber gespielt und ziemlich gut, in Eustachs Augen. Vielleicht war er nicht so versessen auf die Position wie Eustach gedacht hatte.

"A-aber ich gehe gleich", sprach er eilig weiter. "Eigentlich jetzt. Sofort." Das war doch ein guter Grund zu gehen. Ein sehr guter. Trotz allem war Eustach nicht unbedingt gerne in Anjuns Gegenwart. Selbst wenn der andere ihm jetzt tatsächlich nicht an den Kragen wollte. Aber dass er ihn für seine Flugkünste gelobt hatte...war doch seltsam. Irgendwie verspürte Eustach doch einen gewissen stolz, auch wenn er die Worte lieber von Anselm hören würde, der ohne es zu wissen an seinem gewagten Manöver mit Schuld war.

Anjun ließ seinen Blick kurz über die blauen Quetschungen an Eustachs Armen schweifen und nickte knapp. „Ist wohl besser. Schwester Hindendrupp ist zwar ein Drache, aber sie flickt Dich in Null-Komma-Nichts wieder zusammen.“ Ein bisschen tat ihm der Junge leid. Mit Quidditchverletzungen zu Hindendrupp zu müssen, war kein Spaß. Die Schwester haßte den Sport und ließ die Spieler spüren, dass sie es für ein kalkuliertes Verletzungsrisiko hielt. Er war froh, dass er sich selber heilen konnte. Vielleicht sollte er es auch Eustach anbieten? Aber irgendwie sah der Kleine aus, als wenn er am liebsten schnell das Weite suchen wollte. Ihm kam die Erinnerung an seine gewaltsame Waschraumaktion und er verstand. Allerdings fühlte er sich im Recht und wußte daher nicht recht, was er sagen sollte. Daher widmete er sich der Betrachtung seines Besens.

"Hm", nickte Eustach und entschied sich, die Gelegenheit zu nutzen. "Dann - tschüss." Er wollte Anjun verlassen, ohne sich doch noch Ärger zuzuziehen und erinnerte sich rechtzeitig daran, wie die anderen sich verabschiedeten, bevor sie gingen. Dann stürmte er eilig davon.

[OOC: Eustach beendet seinen Tag dann hier.]

Nachdem Eustach gegangen war, begann Anjun mit den erste Pflegearbeiten an seinem Besen. Er würde heute nicht fertig werden, aber zumindest ein paar Borsten gerade biegen wollte er heute noch. Er arbeite schnell und systematisch, korrigierte eine Fehlstellung nach der anderen. Dabei genoß er die Ruhe um sich herum. Alle anderen Kinder tranken jetzt wohl ihren Tee. Das gab ihm die Möglichkeit einen Augenblick für sich zu sein.

Ein scharfe Krächzen zerriss die Stille des Momentes. Anjun sah in den Himmel. Das war nicht Hugin. Er kannte die Stimme seines Rabens genau. Der Vogel, der zu ihm herabstieß war ebenfalls ein Kolkrabe. Aber man konnte sie unterschieden, wenn man etwas von der Sache verstand. Dieses Tier hatte einen etwas helleren Schnabel und schillerte bläulicher. Der Junge streckte den Arm aus. „Komm Munin! Komm!“

Mit ausgebreiteten Schwingen landete der Rabe. Obwohl ein wenig kleiner als Hugin, war es doch ein prachtvoller Vogel mit einer Flügelspannweite von über einem Meter. Sachte streichelte der junge Baccaracus ihm über das schwarze Gefieder. „Bringtst Du mir eine Nachricht, Munin?“

Wie zustimmend machte der Kolkrabe: „Raok!“ Das Krächzen wurde lebhafter und mit schief gelegtem Kopf hörte der Junge ihm lange Zeit zu. Ein Schatten von Sorge legte sich dabei auf sein fein geschnittenes Gesicht.

Anjun verstand, was ihm der Rabe zukrächzte und was er hörte, ließ ihn erschauern. Shouky schwebte in großer Gefahr! Munin erzählte von Orakeln und großen Spinnen, die das Mädchen bedrohten. Etwas würde geschehen. Noch in den nächsten Monaten.

Shouky war immer so freundlich. Sie war eine angenehme Gesellschaft. In ihrer Gegenwart fühlte er sich immer entspannt und zufrieden. Der Junge mußte daran denken, wie er sie mit den Fünftklässlern getroffen hatte. Sie brachte den Kleinen so viel Liebe und Geduld entgegen. Etwas von dem er wußte wie schwer es ihm selber fiel. Sie war immer gut zu den anderen Kindern. Viel freundlicher als er selber. Die Vorstellung, dass ihr etwas zustoßen könnte, erfüllte ihn mit Grauen.

„Danke, dass Du so schnell geflogen bist, um mir die Nachricht zu bringen, Munin.“ Der junge Baccaracus griff in seine Robentasche und holte einen Eulenkeks hervor. „Ruh Dich jetzt ein wenig aus. Und wenn Du wieder frisch bist, dann fliege zurück zum Zauberschloß. Sage meinen Eltern, dass ich ihre Nachricht erhalten habe und verspreche Shouky ein guter Freund zu sein.“ Behutsam fütterte und streichelte er das Tier. Zutraulich zwickte es ihn in die Hand. In Gedanken setzte er hinzu. //Ich muß auf Shouky achten. Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht.//

Der Junge schloss seine freie Hand kurz um seinen Zauberstab und straffte die Schultern. Sein Mund presste sich entschlossen aufeinander. Er hatte das Mädchen gerne und wollte auf keinen Fall, dass ihr Leid zugefügt wurde.

„Und, Munin, sage ihnen auch, dass ich natürlich vorsichtig sein werde. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen.“


OCC: Anjun beendet den Tag hier auch