Langhaus/Nachtkrabs: Aufenthaltsraum

Dies ist der eigentliche Hauptraum des Hauses. Hier findet sich die Eingangstür und von hier kommt man in die Schlafsäle und die Waschräume. Der Raum ist recht groß mit einer Tapete in einem dunklen Gelb an der Wand, in welche kleine Nachtkrabs gestickt sind. Wenn man sie anschaut, schlagen sie mit den Flügeln, zwinkern und hüpfen herum. Ansonsten verhalten sie sich aber ruhig. Die Wand mit der Fensterfront ist allerdings ganz ohne Nachtkrabs und nur dunkelgelb gestrichen. Es ist eine gute Tradition von Rungholt, dass die Schüler diese Wand mit persönlichen Dingen schmücken können wie Postern, Bildern, Fotos oder anderen Dingen.

Im Raum steht ein großes Sofa, ebenfalls in Dunkelgelb gehalten, auf dem fünf Schüler bequem Platz finden. Es gibt zudem mehrere Sessel, die um den Kamin gruppiert sind, und eine Reihe von Tischen, an welchen man Brettspiele spielen oder Hausaufgaben machen kann. In einem Regal an der Wand steht eine Auswahl an Lexika und Schulbüchern sowie mehrere Schachteln Zauberschach, Explodierender Schnapp sowie ein ganz normales "Mensch-ärger-Dich-nicht"-Spiel. Auf einem Beistelltisch steht immer eine Karaffe frischer Saft und eine Schale mit Obst und Keksen. Schüler aus anderen Häusern sind hier gerne gesehen, jedenfalls bis zur Nachtruhe.

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Anjun saß mit einem Buch auf dem Schoß in einem großen, bequemen Sessel im Aufenthaltsraum der Nachtkraps. Auf dem Sofa gedrängt neben ihm und auf dem dicken Teppich beim Kamin hockten einige andere Schüler, ihre Schreibhefte und Bücher aufgeschlagen. Nach Walpurgis hatte er eine zunächt kleine, dann immer größer werdende Gruppe von Mitschülern zusammengebracht, die sich gegenseitig bei den Hausaufgaben halfen.

Mittlerweile hatten die meisten ihre Aufgaben schon erledigt und diskutierten die Ereignisse des Tages. Anjun hörte ihnen mit halben Ohr zu und gab ab und an einige Kommentare, während er durch das Fenster in den blitzblanken Himmel sah. Das Wetter war fantastisch. Und auch wenn ein kalter Wind die Vorhänge bauschte, waren die Fenster weit geöffnet, um die Frühlingsluft hereinzulassen. Heute war ein perfekter Tag zum fliegen. Zum Glück war heute Quidditch-Training angesetzt!

Der Junge fühlte sich unglaublich lebendig und obwohl er es nicht lassen konnte seine Meinung zu der Unterhaltung der anderen zu geben, war sein Herz längst nicht mehr in dem Raum, sondern Draußen an der frischen Luft, wo das Blau des Himmels in das Blau des Meeres überging. An Tagen wie diesen wünschte er sich wie Hugin einfach die Flügel ausbreiten zu können und davon zu fliegen.

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Anselm hatte sich beim Mittagessen mit Tomatensauce bekleckert, weil er der Meinung war, mit dem Essen unbedingt rumblödeln zu müssen. Dabei war er unvorsichtig und hatte jetzt einen großen roten Tomatenfleck auf seinem Hemd. Das war alles andere als toll, also musste er sich umziehen. Da im Speisesaal gleich auch die Schach-AG steigen sollte und er keine Lust hatte, fälschlicherweise für spielbereit gehalten zu werden, hatte er beschlossen, im Aufenthaltsraum zu bleiben. Er könnte Hausaufgaben machen... oder mit Eulalia an den Strand... Oder beides. Er ließ sich an einem der Fenster nieder und wartete auf sie.

Aus dem Augenwinkel heraus registrierte Anjun, wie Anselm den Aufenthaltsraum betrat und sich an eines der Fenster setzte. Er nickte dem Älteren, der mit ihm in einer Quidditch-Manschaft spielte zu.

„Und schon fit für das Training heute Nachmittag?“

Anselm blickte ein wenig irritiert auf, als er Anjuns Stimme hörte, die in seine Richtung sprach. Er blickte ihn an, als ob er nicht so genau wüsste, wer er war, doch dann hellte sich sein Gesicht im Lichte des Verständnis' wieder auf. Doch einen Moment später war er wieder ein einziges großes Fragezeichen.
"Wir haben Training heute Nachmittag? Wer hat denn das festgesetzt? Und wann? Und überhaupt, warum sagt mir sowas nie einer?" Er kratzte sich am Kopf. "Mein Wecker erzählt mir doch morgens früh immer, was der Tag so bringt." Er dachte an den frühen Morgen zurück. Hatte der Wecker Quidditch erwähnt?

„Heute ab 16:30 Uhr.“, half Anjun dem Jäger seiner Mannschaft auf die Sprünge. „Das Training wurde spontan angesetzt, weil wir so kurz vor dem Finale gegen die Elwetritschen so viele Neue bekommen haben. Wir sollen besser zusammenspielen, meinte Eulalia. Sie meinte wir sind noch keine gute Einheit und müßten deshalb heute noch mal zusätzlich trainieren.“

An der fragenden Art wie der ältere Junge ihn angesehen hatte, erkannte er, wie nötig dieses Training wohl war. Wenn Anselm seinen Mitspieler kaum erkannte, wie sollten sie dann im hohen Tempo des Spieles aufeinander reagieren können? Wenn sie erstmal im Finale standen, dann mußten sie sich blind verstehen.

"Eulchen..." murmelte Anselm und blickte sich um, ob er sie irgendwo entdecken konnte. Er erwartete sie ja sowieso. Er konnte sich düster daran erinnern, dass sie ihm heute morgen irgendetwas erzählt hatte, da war sie ja nicht die einzige. Aber was es war, daran konnte er sich nicht erinnern. Das mit dem Zuhören war eben so eine Sache. Das war eine verdammt schwierige Sache, wenn es früher Morgen war.
"Dann würde ich sagen, dass ich so fit bin für das Training um 16:30. Mir bleibt ja nicht viel anderes übrig." erwiderte Anselm lächelnd. "Vielleicht sollte ich mir mal nen zweiten Terminkalender zulegen oder sowas. Was liestn da, Anjun?" Er deutete auf das Buch.

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Eulalia betrat den Aufenthaltsraum, nachdem sie im Speisesaal noch etwas mit einem ihrer Spieler geplaudert hatte. Sie hatte sich für das Training heute so einiges ausgedacht und war nicht nur hochmotiviert sondern auch bis ins letzte Detail vorbereitet.

Im Aufenthaltsraum entdeckte sie sofort Anselm und Anjun. Mit beiden wollte sie noch sprechen, denn immerhin waren sie beide Schlüsselfiguren in ihrem System.

"Hey Jungs. Gut euch zu sehen, ich wollte mit euch beiden nämlich noch sprechen, bevor das Training gleich losgeht!"

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Elisabeth hatte bisher sehr unauffällig in einem Sessel in der Ecke des Aufenthaltsraumes gesessen, völlig vertieft in ihr Buch und die schlafende Grizabella auf dem Schoß. So viel Magie in ihrer Welt auch existierte, bisher war ihr nie eine so eindrucksvoll erschienen wie die des geschriebenen Wortes. Egal, wie detailreich der Autor schrieb, die Bilder in ihrem Kopf waren doch ihre ganz eigenen, die niemand sonst so umsetzen könnte. Fasziniert verfolgte sie die Geschichte von Karigan G'ladheon, und zwischendurch war sie so angespannt, dass sie fast ihre Nägel angekaut hätte vor lauter Aufregung.

"Zaubertränke - Ihre Herstellung und Geschichte durch die Jahrhunderte.Wir lernen gerade für die Klausur in Zaubertränke.“, erklärte Anjun und hob das dicke, in blaues Leder gebunden Buch, welches er sich offensichtlich aus der Bücherei ausgeliehen hatte. „Ein ganz brauchbares Werk. Insbesondere das Kapitel über die Substitution von Komponenten. Die Thesen zu den Kräutermixturen mittelalterlicher Hexen sind allerdings .....“ Der rothaarige Junge suchte nach einem nicht allzu abfälligen Wort. „... gewagt."

„Sag mal, Du bist doch in der AG für experimentelle Zaubertränke, oder?“ Er schob seinen dunkelgrünen Umhang mit der Borte von Hippogriffen, Löwen und Rosen von den Schultern, verlagerte das Gewicht und wandte sich so in seinem Sessel mehr Anselm zu. „Habt ihr dort mal versucht Aprikosenkerne durch Rosskastanien, Esskastanien oder gar Eicheln zu ersetzen? Mich würde interessieren was dann passiert.“ Die klaren, astistokratischen Züge wirkten heute nicht so kühl und arrogant wie sonst, sondern neugierig und aufrichtig interessiert.

Nachdem Anselm ihm geantwortet hatte, öffnete sich die Tür und Eulalia kam herein. Mit raschen Schritten steuerte sie auf sie zu und ließ Anjun keine Zeit mehr für eine Erwiderung. Der Funken an Verärgerung darüber, dass ihr Gespräch so rüde unterbrochen wurde, verglomm jedoch schnell, da es um die neue Quidditch-Strategie ging, die ihm ebenfalls am Herzen lag.

Anjun legte das Buch zur Seite und erhob sich. "Ihr entschuldigt mich.", sagte er zu den anderen und ging zu Anselm und Eulalia herüber, wo er sich nonchalant an die Wand lehnte. "Also, was hast Du Dir überlegt."

Anselm legte den Kopf schief und hörte dem jüngeren Schüler wieder, wie er zu einer Ausführung über Zaubertränke ansetzte. Er überlegte einen Moment, bevor er eine Antwort gab.
"Substitutionen machen meist die anderen, ich schmeiße einfach wild irgendwas zusammen, was ich als Kombinationen aus verschiedenen Zaubertränken kenne und hoffe, dass es nicht explodiert. Ich glaube, den speziellen Fall haben die Leute, die sowas gern machen, aber noch nicht ausprobiert. Aprikosenkerne ersetzen... Mandeln als Ersatz könnte ich mir vorstellen, aber Kastanien... Ich glaube, denen würde es an der nötigen Festigkeit mangeln, aber wenn dich das interessiert und ich es nicht vergesse, probiere ich es beim nächsten Mal aus. An welchen Trank hattest du denn gedacht?"
Eulalias Ankunft erschreckte ihn sichtlich, denn er sprang vom Stuhl auf. "Eulchen, an deinen Auftritten musst du - definitiv - arbeiten, sonst kannst du mich beim Training knicken und ich muss wegen nem Herzkasper behandelt werden."

Anjuns Blick blieb an einem kleinen, zierlichen Mädchen hängen, das sich in einen Sessel abseits zurückgezogen hatte und ganz in die Welt ihres Buches vertieft war. Auf ihrem Schoß schlief eine graublaue Katze mit kurzem Fell. Das stubsnasige Mädchen wirkte oft verschüchtert und hilflos. Anjun hatte sie noch niemals laut sprechen hören. Dennoch war sie seit kurzem im Nachtkraps-Team und bekleidete genau wie er selber die Position des Treibers. Er fragte sich, ob es ihnen beiden gelingen würde eine Einheit zu bilden, wo sie doch in so vielem so unterschiedlich waren.

Er machte mit dem Kinn eine Bewegung in ihre Richtung und sagte zu Eulalia: „Was ist mit Elisabeth? Sollte sie nicht auch an der Besprechung teilnehmen oder betrifft es nur Anselm und mich?“

Für einen kurzen Augenblick schien es ihm so, als wenn sie beim Klang ihres Namens aufblicken würde. Vielleicht aber war es nur eine vorwitzige Strähne ihres pechschwarzen Haares gewesen, das sie zurückstreichen mußte, weswegen sie den Kopf hob.

Eulalia drückte kurz Anselms Arm und lächelte ihn lieb an, dann konzentrierte sie sich wieder auf ihren ersten Treiber. "Also eigentlich würde es mich schon freuen, wenn Elisabeth nicht vom Besen fallen würde und dabei vielleicht auch mal einen oder zei Klatscher trifft. Eigentlich würde ich euch beiden noch mal zum Privattraining holen, das würde sicherlich mehr bringen als das Training heute nachmittag."
Sie schaute dabei zu Elisabth hinüber, die in ein Buch vertieft war. Eine Seite von ihr fand das gut, so würde sie wenigstens nicht stundenlang ohne müde zu werden plappern, andererseits sollte ein kleines Mädchen sich mit 11 noch nicht in Büchern vekriechen und schon gar nicht in Schulbüchern.

Schließlich wandte sie sich wieder den beiden Jungs zu und zauberte schnell ein Blatt Papier hervor. "Das ist meine Angriffstrategie, falls wir hinten liegen sollten. Ich hab noch drei Varianten dazu aufgemalt. Die Elwetritschen werden das nicht so schnell checken, da es auf hohe Geschwindigkeit ausgelegt ist. Anjun, du greifst den Hüter mit einem Klatscher an, gleichzeitig schnappt sich Anselm den Quaffel und fegt so schnell wie es sein Besen hergibt in Richtung Tor. In dem Moment, wo Anjun angreift, wirft Anselm den Quaffel durch den Ring. Noch Fragen?"

„Überraschend, fies und ungemein wirkungsvoll. Gefällt mir.“ Anjuns Lippen kräuselten sich zu einem listigen Lächeln. „Damit rechen die Elwetrischen bestimmt nicht. Und Schnelligkeit ist unser größter Vorteil.“

Er sah erneut zu Elisabeth. Genau wie er selber war sie eher zierlich gebaut. Eigentlich eine schlechte Voraussetzung für einen guten Treiber, dessen Aufgabe es war die Jäger mit allen Mitteln vom Angriff anzuhalten. Da hatten normalerweise Größere und Kräftigere einen Vorteil. Immerhin war er schnell, kannte keine Furcht und war gut darin mit dem Schlagholz die Klatscher von den eigenen Spielern fernzuhalten und auf die Gegner zu schleudern.

„Vielleicht hast Du recht und ich sollte mal allein mit Elisabeth trainieren.“, murmelte er. Allerdings hatte Anjun die dumpfe Befürchtung, dass Elisabeth ganz verstummen würde, wenn er sie unerwartet ansprach.

Die kleine Fünftklässlerin wollte eigentlich gerade das nächste Kapitel beginnen, Seite 206, "Schwertmeister", sie hatte noch nicht einmal die Hälfte des Buches geschafft, blickte allerdings vorher kurz auf, ob vielleicht um sie herum etwas wichtiges geschah, das sie gerade verpasste. Sie las die ersten zwei Worte auf der neuen Seite, bevor sie erneut aufblickte - sie hatte richtig gesehen, da stand ihre Teamcheffin mit Anselm, dem Sucher, und Anjun, dem anderen Treiber. Und es sah aus, als besprächen sie gerade etwas. Mit einem leisen Seufzen legte sie ein Lesezeichen zwischen die Seiten. Das Buch legte sie auf die eine Armlehne des Sessels, Grizabella vorsichtig auf die andere. Die Katze maunzte protestierend, und Elisabeth kraulte sie kurz zwischen den Ohren, bevor sie zu den drei älteren Schülern hinüberschlich. "Ähm," machte sie leise, "ist irgendetwas wichtiges...?" und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Es war ihr unangenehm, die "Großen" so einfach anzusprechen, und ihre Wangen röteten sich leicht.

"Genial... Das ist zwar nicht nett, aber die Elwetritschen werden uns diese nette kleine Finesse bestimmt verzeihen." erwiderte Anselm fröhlich grinsend. Er klopfte Eulalia anerkennend auf die Schulter. "Was du doch für eine großartiger Häuptling bist. Aber wen wundert das schon groß? Die Elwetritschen sitzen bestimmt schon seit Tagen zusammen und zittern vor Angst, weil sie fürchten, was du ausgeheckt hast. Jetzt muss ich nur noch meinen Besen so in Schuss bringen, dass er Maximalgeschwindigkeit liefert."
Anselms Blick fiel auf ihren zweiten Treiber, die Fünftklässlerin Elisabeth. ""Wir planen, die Weltherrschaft an uns zu reißen." meinte er zwinkernd zu ihr. "Oder zumindest den ersten Schritt dahin, unseren Sieg über die Elwetritschen."

//Ganz so schlimm scheint es doch nicht zu sein. Immerhin kommt sie von alleine.//, dachte Anjun, als das kleine, schwarzhaarige Mädchen aufstand und zu ihnen herüber ging.

Er stieß sich von der Wand ab und nickte der jüngeren Schülerin leicht zu. Bei Anselms Bemerkung zur Weltherrschaft mußte er süffisant grinsen, denn auf die anderen Schüler wirkte es wahrscheinlich wirklich so als wenn sie finstere Pläne zur Welteroberung schmiedeten. Immerhin hatten sie da so einen gewissen Ruf...

"Ah", machte Elisabeth, als Anselm erklärte, sie wollten die Weltherrschaft an sich reißen. "Ich denke, ich verstehe die Idee. Der Sieg über die Tritschen ist der erste Schritt, weil wir versuchen, ein international erfolgreiches und vor allem geliebtes Profiteam zu werden. Dann können wir Handlanger aus den Reihen der bedingungslos treuen Fans rekrutieren und über eine großangelegte Fanartikel-Kampagne das Projekt finanzieren. Und das raffinierteste daran ist, dass die Handlanger ihre Besoldung zu großen Teilen über die Fanartikel wieder dem Team zuführen," sinnierte sie. Ihr Gesichtsausdruck blieb dabei todernst, und sie meinte "Ist mir dabei eine bestimmte Rolle zugedacht, oder muß ich auf irgendwas achten?" Die Röte war zwar wieder aus ihrem Gesicht verschwunden, aber sie zupfte in deutlicher Nervosität an ihrer Robe herum. "Na toll, du und deine große Klappe, das findet jetzt bestimmt keiner lustig!"

Die lange und gespielt ernste Antwort des Mädchens überraschte Anjun. //Erstaunlich schlagfertig, die Kleine. Doch wie sagt man... stille Wasser sind tief.// Andererseits zeigte es nur wie wenig sie sich eigentlich kannten.

„Wir sind beide für Treiber nicht besonders bullig oder stark. Darum müssen mit Schnelligkeit und Tricks kämpfen.“ Sein Blick ging zur zu Eulalia, ehe er fortfuhr. „Vielleicht sollten wir das noch mal üben. Wir sind noch nicht gut aufeinander eingespielt.“

Anjun, der auf Elisabeth immer einen etwas abweisenden und hochnäsigen Eindruck machte, erklärte, dass für sie beide der starke Punkt Geschwindigkeit und Wendigkeit war, nicht Stärke. Es wunderte die kleine Fünftklässlerin etwas, dass er das explizit erwähnte, aber sie nickte brav. Auch, als der Neuntklässler äußerte, dass sie auf alle Fälle zu zweit trainieren sollten, um sich aufeinander einzuspielen, nickte sie. So unangenehm es ihr auch war, er hatte Recht. Sie war sich sehr sicher, dass die anderen im Team auf sie herabsahen, immerhin war sie nun wirklich nicht das, was man sich unter der Idealbesetzung für die Treiber-Position vorstellte. "Wir sollten dann wohl bald üben, wenn wir das noch vor dem Spiel gegen die Tritschen schaffen wollen..." meinte sie.

Anjun zog eine Kettenuhr aus der Tasche seiner schwarzen Hose. Ein altes, kostbares Model, das die gleichen Verzierungen von Rosen, Löwen und Hippogriffen zeigte wie sein in den Sessel geknüllter Umhang. Kurz presste er die Lippen aufeinander, während er seinen Zeitplan umzustellen schien.

„Ich hätte jetzt noch eine halbe Stunde Zeit. Oder aber wir treffen uns 30 Minuten vor dem Beginn des Übungsspiels. Was ist Dir lieber?“

Anjun zog eine ungemein teuer aussehende Taschenuhr hervor. "Die wäre mir zu überladen," dachte Elisabeth, "wenn ich eine Taschenuhr hätte, dann eine ganz schlichte, silberne. Aber vielleicht mit einem dunkelblauen Edelstein."

Auf die Frage, was ihr lieber wäre, röteten sich ihre Wangen erneut. "Äh..." Sie scharrte mit den Füßen. "Das ist mir eigentlich egal, mir passt beides gut..." murmelte sie. Selbst wenn sie eine Präferenz gehabt hätte, sie hätte sich nie getraut, die Trainingszeit auszusuchen.

Anjun seufzte innerlich angesichts der Unsicherheit des Mädchens und steckte die Taschenuhr wieder ein.

„Also gut, dann vor dem Trainigsspiel.“, bestimmte er und sah dann zu Eulalia und Anselm. „Hast Du noch weitere Anweisungen oder müssen wir noch was besprechen?“

Im Unterricht war ihm aufgefallen wie gereizt und unglücklich Coco heute aussah. Als er an die Tafel gerufen worden war, hatte ihr unauffällig einen kleinen Zettel in ihr Buch gesteckt. Ein kleiner Brief mit einer lustigen Zeichnung, um sie wieder aufzuheitern. Aber entweder hatte sie ihn gar nicht bemerkt oder aber es hatte sie nicht ermuntert. An die schlimmste Möglichkeit, dass der Zettel Noise oder Diana in die Hände gefallen sein könnte, wollte er lieber nicht denken. Jedenfalls hatte er sich vorgenommen das Mädchen im Laufe des Nachmittags zu suchen, um zu erfahren was ihr so den Tag verdorben hatte.

Anselm musste sich arg beherrschen, bei Elisabeths Antwort nicht laut loszulachen, aber er grinste sie anerkennend an und zeigte ihr ein "Daumen hoch". Mit solch einer Antwort hatte er bei der Fünftklässlerin überhaupt nicht gerechnet, aber die war besser als er selber wohl auf die Situation hätte reagieren können. Jetzt wanderte sein Blick wieder zu Eulalia.
"Ja, großer Häuptling, müssen wir noch mehr besprechen? Ansonsten muss ich nämlich dringend mit dir über die heutigen Aktivitäten zwischen jetzt und dem Training reden... Ich weiß nämlich nicht, welches Kind du zur Zeit in Verwandlungskunde ausbeutest."

Elisabeth grübelte ein wenig darüber nach, wieso die Reaktion der älteren Jungen auf ihre Alberei so durchweg positiv war. Sie hielt sich eigentlich nicht für besonders lustig, und hatte sich im Nachhinein sehr geärgert, überhaupt darauf eingegangen zu sein. Vermutlich versuchten sie einfach, dafür zu sorgen, dass sie sich wohl fühlte, immerhin konnte ein Quidditch-Team nicht funktionieren, wenn man sich gegenseitig hänselte und abfällig behandelte.

Als Anjun festlegte, dass sie vor dem Trainingsspiel noch einmal zu zweit trainieren würden, nickte das Mädchen erneut. "Hoffentlich stelle ich mich nachher nicht dumm an, oder noch schlimmer, während des Trainings..." dachte sie, nahm sich aber fest vor, die Nervosität nicht überhand gewinnen zu lassen.

Anselm wandte sich noch einmal an Eulalia, die Teamchefin, und Elisabeth blieb unschlüssig auch noch einen Moment stehen. Zwar hatte sie niemand zu der Teambesprechung dazugerufen, aber sie wollte auf keinen Fall desinteressiert wirken, so gerne sie sich auch wieder zu ihrem Buch geflüchtet hätte, statt unbehaglich bei den älteren Schülern zu stehen.