Training des alten Weges

„Gut so, gib der Anstrengung nicht nach. Halte deinen Geist ganz fest auf Deine innere Vorstellung konzentriert. Es ist möglich.“

Anjun schlang seinen Mantel fest um sich, während er Marlons Bemühungen beobachtete. Es war noch stockdunkel und eigentlich viel zu früh. Aber sie hatten keine andere Wahl, als den anderen vorzumachen, dass sie früh morgens joggen gingen, wenn sie in dem kleinen Wäldchen verschwanden.

„Vergiss, was Du über die angebliche Realität weißt und vergiß das Wedeln und Wischen mit dem Zauberstab. Letztlich ist zaubern nur heftig wünschen. Jeder Muggelgeborne weiß das.“

Es fiel Marlons wirklich schwer, sich zu konzentrieren. Immer wenn er gerade einen Gedanken gefasst hatte, war da eine Stimme, die ihm sagte, dass dies alles doch gar nicht Möglich sei. Es schien ihm als müsste das etwas schrecklich kompliziertes und schweres sein, einfachste zauber ohne seinen Stab auszuführen. Eine Anstrengung, die für so eine frühe Uhrzeit eigentlich zuviel war. Nach dem, was er bis jetzt gehört hatte, war das etwas, das nur wirkliche Meister hinbekommen könnten.

So jemand war er doch aber nicht! Er war doch nur ein einfacher Schüler, jemand, der eigentlich keinen Schimmer von all dem haben sollte. Wie um alles in der Welt sollte er das denn bitte hinbekommen? "Ich...ich ver.....oh santa Madonna aiutatemi......mist!" gerade als sich etwas zu tun schien, spürte Marlon, wie ihm ein wenig schwindelig wurde und sein zauber verging im Nichts. "Oh Mann.......das ist einfach unmöglich! Wenn das wirklich jeder Muggelgeborene weiss, wieso um alles in der Welt ist das denn so schwer?" Ein wenig frustriert lies sich Marlon auf einen Stein herabsinken.

„Hey.“, sagte Anjun und knuffte Marlon freundschaftlich in den Arm, als dieser sich erschöpft und frustriert auf den Stein sinken lies. „Gib nicht auf. Du schaffst das. - Es ist so schwer, weil man Dir jahrelang beigebracht hat, dass die Realität die Realität ist. Und dass man nur mit dem Zauberstab zaubern kann. All die Formeln und die Gesten.... So viel Wert wird darauf gelegt, dass man schließlich vergisst, dass sie ursprünglich nur ein Hilfsmittel waren. Eine Krücke, nicht mehr. Aber nun glauben alle, dass man ohne Krücken nicht gehen kann. Was für ein Unsinn. - Versuch Dich doch mal an Deinen ersten Zauber zu erinnern. Wie kam es, dass Du ihn hervor gebracht hast, wenn Du noch nicht einmal wußtest, dass Du ein Zauberer bist?“

Sein erster Zauber? Marlon erinnerte sich noch gut daran. Wahrscheinlich ging das jedem so, der nicht gerade mit Magie aufgewachsen war. Es war eigentlich ein stink normaler Geburtstag gewesen. Er wollte nur die Kerzen auspusten. Bei der Erinnerung musste der junge Mondgold lachen. "Hab ich glatt einen kleinen Orkan im Raum verursacht....ungalublich....aber das kam damals einfach so, ohne Vorwarnung. Plötzlich ist es passiert. Ich hätte nie gedacht, dass man sowas kontrollieren kann.....also ohne Zauberstab halt....ich bin gar nicht sicher, ob ich damals irgendwas besonderes gemacht habe...." Irgendwie musste sich doch das wiederholen lassen. Anjun sprach davon als wäre es etwas vollkommen normales, aber Marlon wusste nur von ertsklassigsten zauberern, wie Albus Dumbledore oder Merlin, dass sie damit wirklich gut umgehen konnten....und naja sein Großvater vielleicht, aber auch eher seltener.

"Wie soll ich das denn bitte nochmal hinbekommen? Irgendwie ist es ganz anders, als damals. Es fühlt sich alles so extrem an. Nicht so leicht von der Hand, wie mit deinen sogennannten 'Krücken'....So als würde man fast explodieren, wenn man es versucht, und trotzdem ist es so schwer, dieses Gefühl zu halten und zu kontrollien. Ein einfacher Levitationszauber ist plötzlich so kompliziert......und du sprichst da nur von Wünschen..." Der Braunhaarige Nachtkrabb stand wieder auf. Irgendwo kratzte die ganze Situation doch an seinem Stolz. Er musste sich doch tatsächlich von Anjun erklären lassen, dass es nichts weiter als ein starker Wunsch war, wärend er selbst bei der Praxis versagte. "Aber ich wäre natürlich nicht ich, wenn ich nicht einen so komlizierten zauber hinbekommen würde...erst recht nicht, wenn es im Grunde nur ein starker Wunsch ist." Grinste er dann. "Also nächste Aufgabe!"

Anjun lächelte seinen Freund an. „Wie immer bist du zu ehrgeizig und setzt Dich zu hart unter Druck. - Weißt Du, im Grunde sind es zwei ganz unterschiedliche Zugänge zur Magie. Die beiden Philosophien sind beide recht alt und existierten nebeneinander, ehe die eine die andere zu dominieren begann. Du bist vollständig in der eine Form erzogen worden, wie kannst Du erwarten auf einmal auf andere Art und Weise zaubern zu können? Es ist wie eine vollkommen andere Sprache. Mehr noch, eine vollkommen andere Welt.“

Der junge Baccaracus hob den Blick zum Horizont hinter den weit stehenden Tannen und Kiefern. In trüben blausilber begann der Morgen zu grauen. Bald würden die ersten Schüler aufstehen. Die Lehrer waren vermutlich schon wach.

„Wir haben für heute nicht mehr viel Zeit.“, sagte er. „Wir dürfen uns auf keinen Fall erwischen lassen. - Als ob es ein Verbrechen wäre auf die alte Art zu zaubern. Aber wie sagt man so schön, Vae victis.“

Der Junge krächzte einmal laut und ermahnte damit seinen Raben Hugin, der über dem Wald kreiste, sie ja zu warnen, sollte sich jemand nähern.

„Versuchen wir einfach mal etwas anderes. Siehst Du den Haufen Schnee dort hinten?“Er deutete auf eine Verwehung am Wegesrand unter einer verkrüppelten Birke. „Es ist sicher leicht für dich dir vorzustellen wie Du daraus einen Schneeball formst. - Es ist schwer zu glauben, dass ein Stein schweben kann, wenn die Naturgesetze dagegen sprechen. Aber einen Schneeball zu formen ist leicht vorzustellen. Forme den Schnee in Deinem Geist und dann wirf ihn nach mir!“

"Wehe den Besiegten......." übersetzte Marlon leise vor sich den Satz Anjuns. Mittlerweile kannte er die Geschichte, auf die Anjun mit diesem Satz ansprechen wollte. Die Geschichte, die genau mit dieser Art von Magie zusammenhing. Wärend seiner Ferien in Wien hatte man sie ihm immer wieder erzählt und von Cyberian hatte er sie auch noch einmal gehört. Die Schlacht damals.....alles eigentlich nur wegen der Zauberstab- und der alten Magie - zumindest hattte Marlon das so aufgefasst. Dann hörte er wieder Anjun zu. "Ok Das sollte eigentlich doch ein Kinderspiel werden. Immerhin heiß ich ja Marlon Mondgold!" grinste er dann und zwinkerte Anjun kurz zu.

Der Braunhaarige drehte sich zum Schneehaufen um, der dort in den ersten Lichtstrahlen glitzerte. Dann streckte er seine Hände dort hin aus. Wenn er die Gesten formte, war es für den Jungen wohl leichter, sich wirklich vorzustellen, dass sich der Schnee formen würde. Er versuchte sich so gut er konnte vorzustellen, dass er den Schnee in seinen Händen hielt. Dabei immer wieder zu vergessen, wie weit er eigentlich weg war, fiel ihm nicht mehr ganz so schwer, das kannte er ja schon von der Zauberstabmagie, doch nun musste er nur noch wirklich glauben, dass er das ohne Zauberstab hinbekommen konnte.

Für den Braunhaarigen war das gar nicht mal so leicht. Irgendwie ging es ihm einfach nicht aus dem Kopf, dass das etwas wäre, was nur ein Meister wirklich beherrschen konnte. //Moment mal! Anjun bekommt das doch auch hin und der ist nicht älter als du! Klar, erfahrener, aber hey du bist ein Naturtalent Junge! Vergiss das nicht!// Immer mehr formte sich der Schnee in Marlons Gedanken, ja er konnte schon sehen, wie er den Ball in der Hand hielt. "Und jetzt.....ahh....wer-fen...." flüsterte er. Dann hörte er, ein geräusch, als würde ein Schneeball auftreffen. Er wusste nicht, ob es nur in seinen gedanken war, oder in wirklichkeit, doch plötzlich erfüllte eine Leichtigkeit seinen Körper, gefolgt von einem leichten Schwächegefühl. Kurz war es ihm, als würde er in sich zusammensacken, doch er schaffte es dann doch noch stehen zu bleiben. Es war, wie beim Parasitenfluch....doch irgendwie anders....er wusste nicht, wie er das beschreiben sollte...."Puhhh und? Hat's geklappt?" öffnete er dann seine Augen.

Anjun lachte hell und freudig, als er den noch etwas unförmigen Schneeball Marlons abfing und vor sich schweben lies. „Siehst Du, es klappt. Du hast die Realität verändert und die Magie durch dich selber geleitet.“ Er ließ den Schneeball aufsteigen, höher und höher und schließlich löste er ihn wieder auf, so dass feine Schneeflocken auf sie beide herabregneten. „Was hast Du gefühlt, als Du den Zauber gewirkt hast?“

Ein wenig hächelnd antwortete Marlon.... "Wow....aber ich hab leider nicht getroffen.." Grinste er dann ein wenig und beobachtete freudig die Schneeflocken, die auf die beuden herabregneten. "Es...es fühlte sich einfach so unglaublich an. Ganz anders, viel extremer. Es war ein wenig, wie ..... naja du weist schon......aber irgendwie konnte man es auch gar nicht miteinander vergleichen. Diesmal war es nicht so aggressiv. Es fühlte sich an, als würde ich explodieren und dann auf einmal als wäre ich auf einer Wolke...." Marlon gingen allmählich die Worte aus. Dieses Gefühl war einfach zu ... unglaublich eben, um es zu beschreiben. "Unfassbar, dass sowas verboten ist! Hätte das Ministerium das damals gewusst...."

"Oh ja, das Ministerium hat ja keine Ahnung. Unsere Art der Magie ist so elementar!", antwortete Anjun mit leuchtenden Augen. Stolz, Freude, Sehnsucht und Melancholie stand alles zugleich darin, als er Marlon lebhaft zustimmte. "Du hast den Zauber ja unmittelbar gespürt. Du warst eins mit der Kraft. Unser Zugang zur Magie ist viel intuitiver, viel leidenschaftlicher und intensiver, als sie über Zauberstäbe zu brechen und in immer gleiche Formeln zu pressen."

Er verwischte mit einem Zauber die Spuren ihrer Füße im Schnee und sah sich noch einmal um. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.

"Komm wir müssen uns reinigen."

Die Nacht schwand einem silbrig-kaltem Morgen. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, als sie den Wald hinter sich ließen. Seite an Seite gingen sie den Umweg zum Pfad herunter. Zwei Freunde, zwei Verschworene.

"Du erinnerst doch noch, was Vater über die Reinigungsrituale gesagt hat? Die rituellen Bäder, aber auch die Reinigung, die man zwischendurch durchführt?", fragte der junge Baccaracus nach einer Weile des angenehmen Schweigens.

"Unsere Magie ist sehr emotional und durch unseren Körper kanalisiert hinterlässt sie Reste des Zaubers. Weil sie so unmittelbar ist, bedarf es eines gefestigten Charakters. Instabile Persönlichkeiten verlieren sich leicht im Rausch der Zauber und werden im schlimmsten Fall durch Restmagie wahnsinnig."

Anjun war sich sicher, dass er Marlon kein Beispiel für ein solches Schicksal geben musste.

"Die Reinigung -wenn man nicht das grosse Bad vollzieht -  richtet sich nach der Art der hauptsächlich angewendeten Zauber. Wie man es macht, da gibt es viel Freiheiten. Nur muss es einen stark an das Gegenteil des Zaubers erinnern. Wir haben Schwebezauber geübt. Was schlägst du also vor?"

Anjun wusste natürlich die Antwort, doch es war von zentraler Bedeutung, dass auch Marlon das Prinzip der Reinigung verstand. Sonst konnte die alte Magie ihm gefährlich werden. Es waren schon Hexen und Zauberer wahnsinnig geworden. Einige waren sogar gestorben, weil sie diesen Punkt vernachlässigt hatten. Wenn der Nachtkrab darüber nachdachte, rührte der schlechte Ruf der alten Magie wohl vor allem daher. Wenn man jedoch diese elementare Regel beachtete, konnte man sich ziemlich sicher sein.

"Die Reinigung....ja genau....." Marlon versuchte sich krampfhaft genau an die Worte Cyberians zu erinnern. Den Sinn hatte er ja noch so ungefähr im Kopf, aber die Details......Er erinnerte sich an das Reinigungsbad, aber das würde sie wohl kaum hier umsetzen können......und selbst wenn....bei dem Wetter im Meer baden zu gehen schien tödlich. "Also wir haben Levitationszauber geübt, also brauchen wir selbstverständlich......nichts anderes als..." Was zum Teufel war bitte das Gegenteil von Levitation? Sollte er eine Klippe herunter springen? Er musste das doch wissen! Anjun ging davon aus...oder aber er wusste genau, dass Marlon es nicht wusste und erlaubte sich wieder mal einen kleinen Spaß mit ihm. Das würde zumindest zu ihm passen.

"Na wir müssen....du weist doch....maledizione....wie sagt man das noch gleich auf Deutsch? ..... Hilf mir kurz auf die Sprünge, mir fällt das Wort einfach nicht ein." Grinste der Braunhaarige dann und versuchte einigermaßen souverän zu wirken. Wäre ja noch schöner, wenn er jetzt zugeben müsste, dass er keine Ahnung hatte, was er zu tun hatte. "Andiamo Anjun. Wie lange wollen wir denn noch warten, du weisst doch genausogut, wie ich, was zu tun ist, legen wir los." lächelte er dann gespielt.

In den eisblauen Augen des jungen Baccaracus blitzte es hell und schelmisch auf, aber er sagte nichts. Stattdessen ging er langsam in die Hocke und grub seine Hände tief in die schneeverharschte Erde, so als wolle er sich tief in ihrem Grund verankern. Er schloss die Augen und einige tiefe Atemzüge lang verhielt er sich ganz still und regungslos.

Marlon beobachtete genau, was Anjun tat. //Aha.....Erde also. Hmpf....eigentlich hätte man sich sowas auch denken können....das Gegenteil von Luft, in der man etwas schweben lässt....ja das macht eigentlich schon Sinn.// Er tat also dasselbe, wie Anjun. ÜBer weitere Vorgänge der Reinigung hatte Marlon noch ein paar einzelne Details im Kopf....glaubte er zumindest. Er atmete ein paar mal tief ein und begann sich zu entspannen. Die Restmagie einfach weiterfließen zu lassen, tief in die Erde hinein. Es fiel ihm wie immer ein wenig schwer, einfach ganz ruhig zu bleiben. Für die Reinigung musste man immerhin möglichst alles abschalten, sich vollkommen gehen lassen. Es hörte sich im Prinzip leicht an, doch einfach aufzuhören, über irgendetwas nachzudenken und möglichst auch die Sinne einen Moment lang abzuschalten, war wirklich schwierig für den jungen Mondgold.

Anjun öffnete die Augen und richtete sich langsam wieder auf. Er genoß das Gefühl tiefer Entspannung und Frische, die sich jedes mal nach der Reinigung einstellte, und beobachtete Marlon. Erst nachdem der junge Mondgold sein Ritual beendet hatte, wandte er sich an ihn. „Und wie fühlst Du dich?“

Vollkommen entspannt saß Marlon nun schon eine ganze Weile dort und lies das Reinigungsritual über sich ergehen. Für den Braunhaarigen war es, als würde nicht nur die Restmagie, sondern auch sämtlicher Stress und alles negative aus ihm herausfließen. Erst nach einer ganzen Weile begann der Nachtkrabb wieder etwas von sich zu geben. Als Antwort auf die Frage, wie er sich nun fühle, musste Marlon ein wenig Grinsen. "Vielleicht sollte das meine Tante ein wenig öfter machen...hehe...." Kicherte der Braunhaarige vor sich hin. "Hätte ihr sicher geholfen, mal ein wenig zu...entspannen." finger dann an zu lachen. Ein wenig Entspannung würder ihr wirklich nicht schaden.

Wenn er nur daran dachte, wie sie die letzte Zeit über gestresst hatte. Training hin, Etikette her. Jedes mal, bevor er zu Cyberian ging ein ewiglanger Vortrag darüber, was man tun dürfte und was nicht. "Puh....also der Teil ist auf jeden Fall immer der beste nach dem Training...überhaupt...Wenn ich an die letzten Tage in den Ferien denke, waren die Trainingseinheiten wohl noch der beste Teil. Hab manchmal das Gefühl, mein Kopf würde explodieren bei den ganzen Lektionen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie ihr das aushaltet...also du oder Lara oder überhaupt die meisten Mitglieder der alten Familien. Drehst du nicht manchmal am Rad?"

"Für uns ist es anders.", widersprach Anjun. "Wir sind damit aufgewachsen und haben den alten Weg seid unseren frühsten Kindertagen in uns aufgesogen. All die Dinge, die du jetzt mühsam lernen musst, haben wir über viele Jahre nach und nach gelernt. Es ist viel leichter wenn man diese Art der Magie als erstes kennenlernt. Wenn man erst glaubt sie sei etwas schweres oder gar Böses, dann ist es im Grunde schon fast zu spät." 

"Nein....das meinte ich nicht...also nicht nur......ich meinte eher den ganzen....Druck.....Tausend und eine Regel zu beachten und mindestens genau so viele Menschen kennen und wissen müssen, ob man sie höflich, ehrfürchtig oder wie Dreck behandeln soll. Sich strickt an die Regeln halten, die man von seiner Familie bekommt. Nur Freunde haben, die sie mögen, Menschen lieben, die sie mögen....ehem...ich meine...meine Familie würde wohl ausflippen, wenn ich Kontakt zu Muggelgeborenen oder Muggeln haben würde....das ist.....Es ist manchmal, wie eingesperrt hinter einer Mauer zu sein." Unweigerlich musste Marlon wieder an Norah denken. Hätte seine Familie von ihrer reöativ kurzen "Beziehung" gewusst, sie hätte ihn wohl auf ein Jungeninternat geschickt.....oder für die nächsten 10 jahre in einen Turm gesperrt. Und überhaupt, was störte die so daran, wenn man auch nur normale Freundschaften zu Muggeln pfelgte? Es war ja nicht, als hätten die die Pest und man würde sich anstecken.

Anjun neigte leicht den Kopf. Er hatte sehr wohl schon beim ersten Mal verstanden worauf Marlon hinaus wolle und es brachte eine unangenehme Seite in ihm zum schwingen. Solche Fragen stellte man nicht. Das war nicht vornehm. In seinen Gesprächen mit Anaximander war so etwas nie ein Thema gewesen. Und selbst wenn er unter Druck litt, ein Baccaracus gab das niemals zu.

„Auch hier ist es das gleichen.“, antwortete er vorsichtig. „Wir wachsen damit auf.

NRPG: Ich treibe das jetzt mal langsam voran.

"Hmmmm...." Marlon sah Anjun kurz an. Das war ja eine ziemlich knappe Antwort gewesen. Eigentlich hatte er sich irgendeinen Tipp oder sowas erhofft und überhaupt.....auch wenn man damit aufwuchs, störte es einen dann nicht trotzdem, wenn man alles vorgeschrieben bekam? "Naja...schätze mal da gewöhnt man sich dann drann........ich dachte nur.....naja auch wenn man damit aufgewachsen ist....irgendwann muss mand as doch komisch finden...zum Beispiel wenn man mit so vielen Muggelgeborenen auf einer Schule ist. Meine Familie würde mich sicher in den Keller sperren wenn die wüssten, dass ich mit ein paar von ihnen befreundet bin." Marlon lachte kurz ein wenig, um das witzig wirken zu lassen, doch sie beide wussten, dass seine Familie das wohl wirklich tun würde. "Wie gehst du denn mit sowas um? Weisst du ich mach mir schon immer Gedanken darüber....."

"Du bist mit ihnen befreundet?", Anjuns Stimme klang alarmiert. Er hatte eine sehr hohe Definition von Freundschaft. Höher und konsequenter als bei den Meisten auf Rungholt. Darum dauerte es auch stets sehr lange bis er jemanden einen Freund nannte. Und wenn es geschah, dann war es eine Auszeichnung. Kameradschaft, freundliches Verhalten war etwas ganz anderes als feste, tiefe Freundschaft in seinem Sinne. Er wusste zwar von muggelgeborenen Bekannten Marlons. Was hatte er nicht mitbekommen, dass Marlon nicht nur einen, sondern mehrere Muggel so sehr schätzte, dass er alles für sie tun würde. - Wie konnte das sein? Und wenn er alles tat, was hieß das? Was hatte er vielleicht schon getan?

"Aber mit einem Freund kann man alles teilen..." Er war ein wenig fassungslos und auch besorgt. "Wie kann man mit einem Muggelgeborenen alles teilen? Sie leben in ihrer Welt und wir in unserer! - Du hast ihnen doch nicht etwa... Nein, Marlon, bitte sagt, dass du ihnen nichts verraten hast. Nicht auch noch du. - Wer ist es? Wem hast du davon erzählt?"

Ein wenig erschreckte Marlon, als Anjun ihn plötzlich vollkommen verstört fragte, was er ihnen verraten hatte. Er hatte nichts verraten, nein. Doch irgendwie gab ihm Anjun gerade das Gefühl, ein kleines Kind zu sein, das etwas falsch gemacht hatte und nicht wusste was. "Ganz ruhig Anjun, keine Panik. Ich habe niemandem etwas erzählt......" Er schaute kurz nach unten und wurde etwas leiser. "Ich bin doch nicht lebensmüde....." vor Anjun konnte er das ruhig sagen. Selbst dass er Lara etwas erzählt hatte, bereitete dem Jungen heute noch ein etwas mulmiges Gefühl. Nicht dass er ihr nicht traute, aber irgendwie war es doch ein wenig komisch, wenn jemand außenstehendes ein solches Familiengeheimniss wusste. "Ich...ich würde nie jemand außenstehendes einfach unsere Geheimnisse erzählen....ganz gleich ob Muggelgeborener oder was auch immer....."

"Wie kommst du darauf, dass ich es jemandem sagen würde? Ich würde es wohl selbst einem wirklich gutem Freund nicht erzählen, wenn er nicht selbst Teil davon ist." Immerhin wäre es nicht nur für Marlon gefährlich. Der oder diejenige, denen er das erzählt hätte wären sicher auch in Gefahr.

Anjun entspannte sich sichtlich. „Bitte verzeih mein Mißtrauen. Ich wollte Dir nichts unterstellen. Es ist nur so, dass es solche Fälle gegeben hat.“ Er sah Marlon an; die Augen offen und tief. „Es ist bereits geschehen und immer waren Muggelgeborene dabei im Spiel.“ Er studierte Marlons Gesicht, seine leicht gebräunte Haus unter den dichten Haaren. „Ich kann es durchaus verstehen. Wie kann man vor denen, die man liebt Geheimnisse haben. Wie könnte man sein Leben in solch scharfe Hälften spalten. Das ist ihr Unglück. Und die Muggelgeborenen, ich kann so gar verstehen, dass sie in erster Linie der Welt treu sind in der sie aufgewachsen sind. Wie könnte man sich gegen seine Eltern entscheiden? Ich könnte es nicht.“

"Naja....natürlich ist es schwer, vor denen die man liebt Geheimnisse zu haben....aber es ist eben notwendig. Wie gesagt, ich würde das alles selbst einem sehr gutem Freund nicht erzählen. Nicht weil ich ihm nicht vertraue, sondern weil das Risiko einfach zu groß ist und zwar auch für die Person, der ich es erzähle. Egal ob es ein Muggelgeborener oder Reinblüter ist. Es gibt durchaus Muggelgeborene, in die ich vollstes Vertrauen hätte, aber sie müssten es nichtmal in alle Welt verbreiten um Schwierigkeiten aufzuwirbeln. Es würde schon reichen, wenn nur meine Familie mitbekommen würde, dass ich geplaudert habe, um mich und die andere Person in Schwierigkeiten zu bringen, verstehst du? Deshalb kannst du dir eigentlich sicher sein, dass ich es nie jemandem erzählen würde, egal ob reines oder unreines Blut."

Marlon verstand gar nicht so recht, wieso Anjun die ganze Situation nur auf Muggelgeborene bezog. Einem Reinblütigem Zauberer etwas zu erzählen hätte doch genau so schlimm enden können, wenn es der falsche gewesen wäre und was unterschied die in diesem speziellem Fall denn bitte von Muggelgeborenen? Reines Blut hin oder her, aber der Charakter wurde dadurch doch nicht beeinflusst. Einw enig skeptisch musterte er Anjun. Sollte er ihm das nun sagen oder behielt er seine Gedanken lieber erstmal für sich? Vielleicht hatte er das ja nur wieder mal falsch verstanden.

„Mutter hat Recht gehabt in dem was sie über Dich gesagt hat.“ Er lächelte Marlon an und sein Blick war wieder anmutig und mild. „Und Du sagst da etwas Wahres. Wo sind wir, wenn nicht einmal mehr die reinblütigen Familien sich erinnern können. Sich erinnern wollen. Wenn alte Zaubererfamilien unwissend sind wie Muggel und ihr Haß noch unbarmherziger. - Reines Blut!“ Er lächelte abermals, aber hart und ohne Freude. „Wozu ist es verkommen. Ein weiteres Etikett eitler Menschen, die nicht wissen was es bedeutet. Jeder Todesser nannte sich so. Nun ist es nichts als ein weiteres Schimpfwort. - Ich gebrauche es nie. Genau so wenig wie Schlammblüter. Und das solltest du auch tun. - Druck sagst Du? Vielleicht. Aber ich weiß wer ich bin und was ich tun werde. Ich werde tun was alle Baccaracus vor mir getan haben.“

"Mit dem, was sie über mich gesagt hat?" Marlon sah Anjun fragend an. Was hatte sie denn über ihn gesagt? War das ein gutes Zeichen? Zumindest schien Anjun plötzlich wieder wie ausgewechselt....irgendwas war im Moment etwas seltsam an dem Jungen. Etwas, das Marlon keine Chance lies, zu wissen, woran er im Moment war. "Das ist das, was ich meine....es macht keinen Unterschied, ob ich es einem Muggelgeborenem oder einem Mitglied irgendeiner alten Familie erzählt hätte. Bei beiden gibts es Menschen denen ich ohne zu zögern vertrauen würde und Menschen, denen ich nicht vertrauen kann. Ich würde unsere Geheimnisse trotzdem niemandem aus beiden Gruppierungen erzählen, wenn er nicht schon darin eingeweiht ist uund nichtmal dann unbedingt. ..... Es ist zu gefährlich."

Weiter hörte er Anjun zu. Irgendwie klang es, als würde das Thema den Jungen ein wenig frustrieren. "Naja ich weiss nicht wirklich, ob ich das Wort Reinblüter gleich als Schipfwort einorden würde....Es wirkt nur...ein wenig seltsam gegenber Muggelgeborenen oder?.....Als wären sie wirklich so viel weniger wert. Klar eigentlich heisst es nur, dass unsere Vorfahren alle magisch waren und unser Blut quasi rein magisch ist aber.....ich weiss nicht wie ein Muggelgeborener das sieht, doch ich denke es kling ein wenig abwertend....eben genau wie Schlammblut. Als wäre ihr Blut schmutzig, nur weil es nicht magisch ist....sie sind trotzdem genau so Menschen, wie wir auch. Nicht so, wie die Todesser oder meine Familie sie einordnet..." Marlon wurde beim Reden immer leiser....er wusste nicht wirklich, ob es klug war, sowas jetzt zu sagen....andererseits fiel ihm auch nichts anderes dazu ein und das hier war Anjun. Einer seiner besten Freunde. Der würde ihn doch sicher verstehen.

„Das ist es nicht.“, sagte Anjun und brach dann ab. Wie sollte er es Marlon erklären. Er war selbst unter Muggeln aufgewachsen, hatte wahrscheinlich viele Freunde unter ihnen. Freunde in einer Welt, die Anjun völlig fremd und irgendwie kalt und feindselig erschien. Sie waren so viele. Viel mehr als es Zauberer gab und noch viel mehr als es Getreue des alten Weges gab und sie bestimmten was in dieser Welt geschah. Nach ihnen mußte sich alles richten. Ihre Werte, ihr Stil bestimmt alles. Er fühlte sich auf einmal sehr einsam, auch in der Gegenwart seines Freundes. //In Wahrheit gehöre ich wohl zu keinen von ihnen. Ich liebe die Muggel nicht und ein Todesser will ich nicht sein.//, dachte er. Er fühlte Melancholie, doch er hob stolz den Kopf. „Ich bin ein Baccaracus und ein Baccaracus muß immer zaubermächtig sein. Wir sind zu wenige, um zu riskieren, dass unsere Kinder am Ende nicht magisch sind. Und das kann immer passieren, wenn man sich mit einer Muggelfrau einläßt. - Ich liebe die Muggel nicht, das ist wahr. Aber ich hasse sie auch nicht. Eines Tages werde ich sie segnen, werde meine Kraft in ihr Land fließen lassen – und mein Leben immer wieder auf Spiel für sie setzen. Vielleicht werde ich auch eines Tages deswegen sterben, ohne dass sie wissen dass ich sie beschützt habe, ohne dass sie wissen, dass es mich gab. Genau wie mein Großvater vor mir. Ich vergesse nie wer ich bin und nicht meinen Eid.“